Experten( )Wissen: 5 Dinge, die man im Leben nicht auf die lange Bank schieben sollte

Palliativmediziner Dr. Bernd Oliver Maier im exklusiven Interview

Den Gedanken an den eigenen Tod verdrängen wir ja alle ganz gerne. Und doch wollen wir am Ende nicht dastehen und in letzter Sekunde merken, dass wir etwas Wichtiges verpasst oder aktiv verbockt haben. Als Palliativmediziner hat Dr. Bernd Oliver Maier jeden Tag mit Menschen zu tun, die dem Tod bereits ins Auge schauen. Er teilt uns aus ganz persönlicher Sicht mit, was er aus den Gesprächen mit ihnen über Prioritäten gelernt hat.

Jung aussehende Hand hält eine deutlich älter aussehende Hand.
Irgendwann nähern wir uns alle dem Ende unseres Lebens. Doch wie wir die Zeit bis dahin verbringen, liegt in unserer Macht. (Symbolfoto: Getty)

1. So lecker essen wie möglich

Wenn Menschen sich dem Lebensende nähern, verlieren sie oft den Appetit – was in gewisser Weise ganz normal ist, aber eben sehr schade. Auch das Geschmacksempfinden verändert sich, der Mund wird oft trockener, schmerzempfindlicher und das nimmt vielen den Spaß am Essen. In gesunden Zeiten denken viele, dass zwar die Kraft schwindet und man sich schlechter bewegen kann, wenn es Richtung Sterben geht, aber Essen und Trinken, weil nicht an körperliche Kraft gebunden, automatisch als "Lebensfreude" erhalten bleiben, wenn vieles eingeschränkter wird. Stimmt aber nicht.

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Also vergeude ich lieber nicht die wertvolle Zeit, in der mit allen Sinnen genossen werden kann: Essen müssen sowieso alle. Warum dann nicht auch gleich möglichst gut und spannend, so lange wir das wirklich zu schätzen wissen und differenziert schmecken können?

2. Gut schlafen

"Schlafen kann ich, wenn ich tot bin" – früher klang das irgendwie episch und verrucht. Ist aber leider auch Quatsch. Aus Erschöpfung nicht aufstehen können, vor Erschöpfung wegdämmern im Gespräch, das ist kein wohliges Schlafen, das ist Ausdruck einer verschobenen Belastungsgrenze eines sterbensnahen Körpers, der nicht mehr kann. Gut schlafen geht für mich anders: genussvoll Zeit, die man auch anders nützen könnte, "vergeuden" im Nichtstun. Sich Ruhe gönnen, statt ausruhen zu müssen. Nicht funktionieren, sondern regenerieren für nichts außer meinem eigenen Wohlbefinden. Und dann frisch und wach Neuem entgegenblicken!

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Infografik: Schlafen Sie gut? | Statista
Infografik: Schlafen Sie gut? | Statista

3. Nein sagen

"Ich würde so gerne, aber ich kann leider nicht", "Was bleibt mir auch anderes übrig?": Solche Dinge denken wir oft, aber müssen tun wir ehrlicherweise gar nix. Außer sterben, eines Tages. Und weil das so ist, sollten wir aufhören, ständig die Umstände für unsere Art, Zeit zu verleben, verantwortlich zu machen. Wir entscheiden ganz alleine und selbstbestimmt, wie wir jeden Tag nutzen oder verstreichen lassen.

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Der Sachzwang, der mich vermeintlich fesselt, ist nur dann existent, wen ich mich entschieden habe, ihn als solches gelten zu lassen. "Warum?" und "Warum nicht?" sind gleichberechtigte Partnerantworten – das Mindset gibt den Rhythmus vor, nicht die Umgebung um uns herum. Also sage ich Nein zur Macht der Gewohnheit und will lieber selber jeden Tag entscheiden. Oder wie Tom Liwa es ausgedrückt hat in einem seiner Songs:

Ich brauch' nicht viel, es braucht nicht viel, all das kaputt zu machen – aber ich kann's auch lassenTom Liwa

4. Erinnerungen sammeln

Viele Menschen beklagen verpasste Gelegenheiten und versäumte Begegnungen am Ende ihres Lebens. Wie kann es dazu kommen, wenn man doch all die Zeit zur Verfügung hatte? Ich habe den Eindruck, dass dabei oftmals nur in Kategorien ganz besonderer, unwiederholbarer Momente gedacht wird. Es reicht oft nicht mehr, etwas Schönes zu erleben, es muss schon das Spektakulärste, das Einzigartigste, das Paradiesischste sein. Und so versäumen wir in der Sehnsucht nach der perfekten Selbstinszenierung, einfach mal innezuhalten und uns an dem zu erfreuen, was um uns ist. Und es anzuerkennen als bemerkenswert und erinnernswert.

Am Ende sind es nicht unbedingt die außergewöhnlichen Erlebnisse, sondern die vielen kleinen glücklichen Momente, die ein Leben erfüllt sein lassen. (Symbolfoto: Getty)
Am Ende sind es nicht unbedingt die außergewöhnlichen Erlebnisse, sondern die vielen kleinen glücklichen Momente, die ein Leben erfüllt sein lassen. (Symbolfoto: Getty)

Ich möchte gerne einmal sagen können, dass ich glücklich bin mit meiner Art gelebt zu haben, dass ich dankbar bin, für die Gelegenheit, es so und nicht anders erlebt haben zu dürfen. Und dann will ich nicht in einer Trophäensammlung stöbern, um diese Erkenntnis zu gewinnen, sondern köstliche Momente und Kleinigkeiten erspüren und erinnern – die in ihrer Beiläufigkeit und Klarheit von einem erfüllten und wach gelebten und erlebten Leben erzählen. Wobei – das eine oder andere richtig gute laute große Konzert darf schon auch dabei sein.

5. Carpe the hell out of this diem (Meike Winnemuth in "Das große Los")

Braucht keine Erklärung!

Unser Experte: Dr. Bernd Oliver Maier

Dr. Bernd Oliver Maier ist Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP). Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist Internist mit Schwerpunktbezeichnung Hämatologie und Onkologie. Er arbeitet als Chefarzt Palliativmedizin und interdisziplinäre Onkologie an der Medizinischen Klinik III des St. Josefs-Hospitals in Wiesbaden.

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