Experten( )Wissen: Was bei der Atmung von Babys und Kleinkindern zu beachten ist
Kinder- und Jugendarzt PD Dr. Burkhard Rodeck im exklusiven Interview
Die Erkältungszeit ist angebrochen und stellt besonders Eltern von kleinen Kindern auf die Probe. Denn wie schwer und vielleicht sogar bedrohlich ein Infekt ist, ist nicht immer leicht zu erkennen. Auf welche Symptome man achten muss und wann man schnell handeln sollte, erklärt der Kinderarzt Dr. Burkhard Rodeck im exklusiven Interview mit Yahoo Life.
Wann ist eine Erkältung bei Babys und Kleinkindern einfach nur eine Erkältung, bei der man sich keine großen Sorgen machen muss?
Dr. Burkhard Rodeck: Infektionen der oberen Luftwege, also des Nasen- und Rachenraums, machen sich mit den klinischen Merkmalen Husten und Schnupfen bemerkbar. In der Regel handelt es sich dabei um eine Virusinfektion ohne schwerwiegende Bedeutung, die das Kind nicht bedroht. Anders sieht es aus, wenn die unteren Atemwege mitbetroffen sind. Dazu zählen der Kehlkopf, die Bronchien und die Bonchiolen bis hin zur Lunge. Und je nach betroffenem Organsystem gibt es unterschiedliche Erkrankungen. Angefangen beim Kehlkopf, ist eine der klassischen Erkrankungen im jungen Kindesalter der sogenannte Pseudokrupp.
Was genau bedeutet das?
Der Pseudokrupp ist eine Erkrankung viraler Genese. Dabei kommt es zu einer Anschwellung der Schleimhaut im Bereich des Kehlkopfes und unterhalb des Kehlkopfes. Es handelt sich um eine Verengung dieser Strukturen, sodass die Luft dort nicht mehr ungehindert hindurchströmen kann. Klinisch macht sich das insbesondere durch einen bellenden Husten bemerkbar. Die Kinder haben dann einen sogenannten inspiratorischen Stridor, also eine Atemwegsbehinderung bei der Einatmung, wobei Stridor Atemgeräusch bedeutet.
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Bei einer Bronchitis kommt es ebenfalls zu einer Anschwellung der Schleimhäute in den Bronchien. Letztlich mit der Folge, dass bestimmte Bereiche der Lunge überbläht werden, weil die Einatmung durch die aktive Muskeltätigkeit noch gut funktioniert, aber die Ausatmung nicht. Diese Kinder haben dann vor allem bei der Ausatmung eine Atemanstrengung, also einen expiratorischen Stridor.
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Dann kämen die Bronchiolen als kleine Bronchien, die weiter in der Lunge liegen, und hier sind wir dann ganz schnell bei der sogenannten RS-Virusinfektion. Hier haben die Kinder ein Mischbild. Das kann also sowohl expiratorisch als auch inspiratorisch mal ein Problem darstellen. Dabei kann es auch zu sogenannten Einziehungen kommen, die man in diesem Video sehen kann.
Die Lungenbläschen entfalten sich nicht mehr, sind voller Sekret, die Bronchiolen sind zu, die Lunge ist nicht mehr frei belüftet. Das Kind versucht aber natürlich Luft zu holen, bewegt also die Atemhilfsmuskulatur und strengt sich richtig an. Diese Anstrengung ist an den Einziehungen zu sehen, weil alle Strukturen, die am Brustkorb hängen, nach innen gezogen werden. Diese Einziehungen gibt es in den Zwischenrippenräumen, in der Drosselgrube über dem Brustbein, wo sich die beiden Schlüsselbeine treffen, und im Bauchbereich im Bereich des Zwerchfells. Das kann bei verschiedenen Atemwegserkrankungen passieren wie beim RS-Virus, bei einer Bronchiolitis und bei Lungenentzündung.
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Abgesehen von Atemwegserkrankungen ist die Fremdkörperaspiration ein weiterer Aspekt. Wenn ein Kind eine Erdnuss einatmet und in die Luftröhre hineinbekommt, kann das primär zu Husten führen, weil der klassische Reflex ausgelöst wird. Sitzt also ein Kind neben einer Schale mit Erdnüssen und fängt plötzlich an zu husten, ist das ein absolutes Alarmzeichen. Dieses Kind muss sofort in die Klinik.
Auf welche Symptome sollten Eltern noch achten?
Ganz wichtig ist auch die Atemfrequenz. Bei Erwachsenen liegt sie bei 12 bis 18 Atemzügen pro Minute, ist bei Neugeborenen aber sehr viel schneller. Da liegt sie bei 40-50 Atemzügen pro Minute. Ein Säugling atmet mit 35-40 Atemzügen pro Minute etwas weniger häufig und das Kleinkind 20-30 Mal pro Minute. Bei Schulkindern sind es 16-25 Atemzüge, bis hin zu den 12-18 bei Erwachsenen. Liegt die Atemfrequenz über diesen Grenzen, kann schon das ein Hinweis auf eine Atemwegserkrankung sein.
Als letzten Punkt würde ich noch die sogenannte Zyanose nennen. Die Zyanose ist eine Blaufärbung insbesondere der Lippen, wenn die Kinder eine Sauerstoffuntersättigung haben. Ein Kind mit blauen Lippen, das schwer atmet, muss sofort zum Arzt.
In welchen Fällen ist höchste Eile geboten und wann kann man noch abwarten?
Es hängt von der Ausprägung der Gesamtsymptomatik und dem Einzelfall ab. Wenn ein Kind gerade anfängt, etwas schwerer zu atmen, rufe ich erst einmal beim Kinderarzt an. Wenn ein Patient blaue Lippen und extreme Atemnebengeräusche hat, würde ich den einpacken und sofort in die Klinik fahren. Grundsätzlich sollte man erst einmal den Kinderarzt ansprechen. Abends oder am Wochenende würde ich den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Anspruch nehmen.
Was ist die größte Gefahr?
Letztlich ist die Sauerstoffversorgung des Kindes das Entscheidende und kommt auch auf die Dynamik an. Wenn ich ein Kind vor zehn Minuten das letzte Mal gesehen habe, als es noch entspannt im Bett saß, und auf einmal ringt es nach Luft, ist das eine Notfallsituation, in der man sofort ärztliche Hilfe braucht. Wenn es nach zehn Minuten ein bisschen herumpumpt, aber nicht schwer krank wirkt und das gut kompensieren kann, kann ich in Ruhe zum Kinderarzt.
Wie läuft die Behandlung?
Als erstes führt man eine Sauerstoffsättigungsmessung durch. Das ist eine unblutige Methode, bei der man einen Sensor an einen Finger bekommt und schauen kann, wo die Sauerstoffsättigung liegt. Davon hängt ab, ob ich Sauerstoff gebe, ob ich mit inhalativen Medikamenten arbeite, ob ich Antibiotika gebe. Das ist abhängig von der Ursache der Situation. Die Grenze, ab der der man tätig wird, liegt ungefähr bei 90 Prozent. Ein gesundes Kind hat eine Sauerstoffsättigung von 98 oder 99 Prozent.
Unser Experte: PD Dr. Burkhard Rodeck
Dr. Burkhard Rodeck ist Kinder- und Jugendarzt, Neonatologe, und Kindergastroenterologe. Er war langjähriger Chefarzt einer großen Kinderklinik und ist jetzt Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.
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