Fördern manche Lebensmittel Migräne?

Migräne-Experte Dr. Thomas Dresler im exklusiven Interview

Junge Frau mit Kopfschmerzen
Bei manchen Migräne-Patienten können bestimmte Lebensmittel die Kopfschmerzen auslösen. (Symbolfoto: Getty)

Laut dem Robert-Koch-Institut leiden in Deutschland rund 15 Prozent aller Frauen und 6 Prozent der Männer an Migräne. Welche Lebensmittel mit den Kopfschmerzen in Verbindung stehen könnten und was Betroffene beim Essen sonst beachten sollten, erklärt der Diplom-Psychologe Dr. Thomas Dresler im Interview mit Yahoo Life.

Inwiefern hängen Ernährung und Migräne zusammen?

Dr. Thomas Dresler: Hier gibt es keine einfachen Zusammenhänge. Die wenigsten Lebensmittel lösen per se Migräneattacken aus. Es gibt bestimmte Untergruppen von Betroffenen, die sensibler auf bestimmte Lebensmittel reagieren. Es kann auch sein, dass man kurz vor der Migräneattacke als Vorbote Heißhunger auf Süßes bekommt.

Wenn man dann Schokolade isst und wenig später die Kopfschmerzen beginnen, dann hätte man diese höchstwahrscheinlich auch bekommen, wenn man die Schokolade nicht gegessen hätte. Wenn ein Lebensmittel im Zusammenhang mit einer Migräneattacke auftritt, kann man nicht einfach darauf schließen, dass das Lebensmittel die entscheidende Rolle spielt.

Wie kann man am besten herausfinden, ob die eigene Migräne eventuell von bestimmten Lebensmitteln ausgelöst wird?

Hier kann man einfach experimentell vorgehen, um einen ursächlichen Einfluss zu testen. Wenn man den Verdacht hat, dass ein bestimmtes Lebensmittel oder aber auch ein Getränk die eigene Migräne auslöst, dann sollte man dies in einer kleinen Dosis testen. Beispielsweise ein Stück Schokolade oder ein Stück Käse essen, einen Schluck Wein trinken und dann abwarten, was passiert.

Bei wie vielen Migränepatienten können Lebensmittel die Migräne triggern?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten, da es deutliche Unterschiede zwischen Studien gibt. Eine Metaanalyse von 2018 kommt ähnlich wie eine Studie von 2021 zu einem Anteil von ungefähr 30 % an Betroffenen, die bestimmte Lebendmittel als Migräneauslöser berichten. In rückblickenden Berichten von Betroffenen fallen solche Werte aber meist höher aus als wenn man dies protokollieren lässt oder direkt testet.

Welche Rolle spielt der Neurotransmitter Histamin und welche Lebensmittel gelten als mögliche Auslöser?

Es gibt histaminhaltige Lebensmittel, die bei darauf sensibel reagierenden Menschen Migräneattacken auslösen können. Dies sind dann beispielsweise bestimmte Käsesorten, geräucherte Lebensmittel oder auch Weine. Hier sollte man das Ausbleiben von Attacken bei Vermeidung histaminhaltiger Nahrung prüfen. Weiterhin sollte man ärztlichen Rat suchen und eine mögliche Histaminunverträglichkeit ansprechen.

Glas Rotwein mit Käse vor einem Kamin
Wer Migräne hat, könnte empfindlich auf bestimmte Käsesorten und Wein reagieren. (Foto: Getty)

Wie sieht es mit Koffein aus?

Hier gibt es gute Nachrichten. Auf Kaffee muss niemand verzichten, allerdings sollte man diesen nicht übermäßig konsumieren. Eine Studie konnte zeigen, dass erst bei mehr als zwei Tassen pro Tag die Wahrscheinlichkeit für eine Migräneattacke anstieg. Auch hier kann Ausprobieren helfen.

Welche anderen Faktoren bei der Ernährung können eine Rolle?

Es ist Betroffenen zu empfehlen, regelmäßig Mahlzeiten einzunehmen und auch bei den Zeiten nicht deutlich abzuweichen. Das Auslassen von Mahlzeiten oder Fasten löst eher noch häufiger eine Migräneattacke aus als ein bestimmtes Lebensmittel. Hinzu kommt, dass das Auslassen von Mahlzeiten häufig auch mit einem veränderten Schlafverhalten (am Wochenende, beim Schichtdienst, etc.) zusammenhängt, was wiederum ein häufiger Migräneauslöser ist.

Eine spezielle Migräne-Diät gibt es nicht, aber welche Art der Ernährung ist für Migränepatienten am besten geeignet?

Als zuverlässiger Trigger für Migräne hat sich in Studien Mononatriumglutamat erwiesen. Dieser Stoff wird oft als Geschmacksverstärker in Fertiggerichten eingesetzt, zum Beispiel in Instant-Nudeln, fertigen Suppen oder Chips. Solche Gerichte sollte man meiden. Generell ist es ratsam, den Anteil an verarbeiteten Lebensmitteln in der Ernährung zu reduzieren.

Wenn man auf histaminhaltige Lebensmittel sensibel reagiert, sollte man den Anteil histaminreicher Lebensmittel reduzieren und durch hinstaminarme ersetzen. Migränepatienten mit Reizdarmsyndrom wird fettarme, faserreiche, zinkreiche Ernährung empfohlen, wie beispielsweise gekochtes oder frisches Gemüse und Vollkornbrot.

Unser Experte: Dr. Thomas Dresler

Dr. Thomas Dresler ist Diplompsychologe am Universitätsklinikum in Tübingen mit den klinischen Schwerpunkten Kopfschmerz, Neurowissenschaft und Bildungswissenschaft. Außerdem ist er kooptiertes Mitglied im Präsidium der DMKG (Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V.).

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