Ich habe vor drei Jahren am Dry January teilgenommen – und seitdem keinen Alkohol mehr getrunken

Unsere Redakteurin hat seit drei Jahren keinen Alkohol mehr getrunken. Sie machte damals beim Dry January mit.
Unsere Redakteurin hat seit drei Jahren keinen Alkohol mehr getrunken. Sie machte damals beim Dry January mit.

Am 1. Januar 2022 wachte ich mit einem Kater auf. So weit, so gewöhnlich. An Silvester schauen immerhin viele Menschen etwas zu tief ins Glas. Das hielt mich jedoch nicht davon ab, am Neujahrsabend zu einer Freundin zu fahren und Gin Tonics zu trinken.

Am 2. Januar 2022 wachte ich erneut mit Kopfschmerzen, einem flauen Magen und völlig antriebslos auf. Mich plagte das schlechte Gewissen: Wieso habe ich schon wieder getrunken? Wieso tue ich meinem Körper das an? Kann ich nicht auch ohne Alkohol Spaß haben?

Mir war klar, dass ich etwas ändern musste. Kurzerhand ging ich in die Küche, kippte sämtliche Alkoholreste in die Spüle und verkündete meinem Partner, der verdutzt auf der Couch saß und mir zuguckte: „Ich mache beim Dry January mit.“ Er nickte nur und sagte: „Finde ich gut.“

Was ist der Dry January?

Der Trend des Dry January, also des „trockenen Januars“, wird seit einigen Jahren immer bekannter und beliebter. Bei dem Trend geht es darum, den gesamten Januar auf die Droge Alkohol zu verzichten – der perfekte Zeitpunkt nach den feuchtfröhlichen Feiertagen.

Ins Leben gerufen wurde der Trend von der britischen Wohltätigkeitsorganisation "Alcohol Concern UK" im Jahr 2013. Dass der Trend in Großbritannien seinen Ursprung fand, verwundert insofern wenig, als es sich um ein Hochkonsumland handelt. Im Jahr 2022 wurden im UK immerhin 10.048 alkoholbedingte Todesfälle registriert.

Klingt viel? In Deutschland starben laut Alkoholatlas 2020 sogar 14.200 Menschen an Krankheiten, die ausschließlich auf Alkoholkonsum zurückzuführen sind. Und hierbei sind Krankheiten, die durch Alkohol begünstigt werden, etwa Krebs, noch nicht einmal mit einberechnet.

Zwar wird in den vergangenen Jahren in Deutschland etwas weniger Alkohol konsumiert. Dennoch: Deutschland gehört im internationalen Vergleich unverändert ebenfalls zu den Hochkonsumländern. Anders gesagt: Ich befand mich mit meinem damaligen Trinkverhalten in bester Gesellschaft.

Dry January: Ein Beweis, dass alles im Lot ist?

Wenn ich ehrlich bin, wollte ich damals am Dry January teilnehmen, um mir zu beweisen, dass ich kein Problem habe. Und um danach weitertrinken zu können – wenn auch gemäßigter. Während der ersten Tage meiner Abstinenz musste ich jedoch mit Erschrecken feststellen, welch große Rolle Alkohol in meinem Leben spielte.

Ich wusste nicht, was ich mit Freunden unternehmen sollte – so ganz ohne Alkohol. Ich wusste nicht, wie ich nach einem stressigen Tag runterkommen sollte – so ganz ohne Alkohol. Wusste nicht, wie ich auf einer Party Spaß haben sollte – so ganz ohne Alkohol. Einmal erwischte ich mich beim Wäscheaufhängen in der Mittagspause dabei, wie ich von einem kühlen Glas Weißwein am Abend fantasierte.

Dazugesagt sei an dieser Stelle: Ich trank zuvor keineswegs täglich. Und nur gelegentlich mehr als zwei Gläser an einem Abend. Dennoch wurde mir spätestens hier klar, dass ich nach Ende des Dry January auf keinen Fall weitermachen sollte, wie zuvor. Damals ein echter Stimmungskiller, die Prophezeiung einer vermeintlich freudlosen Zukunft. Wie falsch ich doch lag.

So hat sich der Dry January auf mich ausgewirkt

Das Gute war, dass sich zu dieser Zeit erste positive Effekte bemerkbar machten. Das Erste, was mir auffiel? Wie viel mehr Zeit ich plötzlich zur Verfügung hatte. Ich verbrachte keine Wochenenden mehr im Bett und konnte jede einzelne Sekunde wach und klar genießen. Wenngleich das auch bedeutete, dass meine Sorgen und Ängste ungefiltert auf mich einprasselten. Statt Weißwein war nun Yoga das Mittel meiner Wahl.

Auch gesundheitlich stellten sich erste positive Effekte ein: Ich wachte nachts nicht mehr auf, schlief seit Monaten endlich mal wieder durch. Meine Haut wurde reiner. Beim Sport fühlte ich mich plötzlich viel leistungsstärker, drehte beim Joggen mal eben noch zwei Stadionrunden mehr. Ich konnte mich besser und länger am Stück konzentrieren. Mein Stresslevel sank und ich war weniger reizbar. On top sparte ich Kalorien ein und nahm ab. Ein Glas trockener Weißwein enthält immerhin 136 kcal.

Mittlerweile habe ich seit drei Jahren keinen Alkohol getrunken

All diese Effekte stellten sich binnen des ersten Monats ohne Alkohol ein. Um nichts in der Welt wollte ich diese neue Lebensqualität eintauschen. Nicht mal gegen einen Negroni – meinen damaligen Lieblingsdrink. Bereits vor Ende des Dry January war für mich klar, dass ich ihn verlängern werde. Zunächst setzte ich mir das Ziel von drei Monaten. Als diese sich die dem Ende neigten, setzte ich mir das Ziel von einem halben, bald von einem ganzen Jahr. Heute habe ich seit drei Jahren keinen Alkohol mehr getrunken. Mein letzter Drink war der Gin Tonic bei meiner Freundin.

Dass der Dry January etwas bringt, ist mittlerweile sogar wissenschaftlich bewiesen. In einer Studie rund um Wissenschaftler der University of Sussex unter der Leitung von Dr. Richard de Visser konnte unter anderem Folgendes festgestellt werden: Personen, die einen Monat lang auf Alkohol verzichteten, konnten besser schlafen (71 Prozent), hatten mehr Energie (67 Prozent) und 70 Prozent berichteten von einer verbesserten Gesundheit. Zudem gaben die Teilnehmenden an, auch in den folgenden Monaten weniger und seltener Alkohol zu trinken.

Würde ich den Dry January weiterempfehlen? Kommt drauf an

Wenn mich jemand fragt, ob ich jedem Menschen den Dry January empfehlen würde, lautet meine Antwort jedoch: Jein. Dringend davon abraten würde ich etwa Menschen, die abhängig sind und ihren Körper an Alkohol gewöhnt haben. Sie können ihrem Körper mit dem plötzlichen Verzicht sogar schaden. Sie riskieren neben Entzugserscheinungen etwa ein Alkoholdelir – ein Zustand, in dem Halluzinationen, Verwirrtheitszustände und starke, lebensbedrohliche Blutdruckschwankungen auftreten können. Einen Entzug sollten sie nur in medizinischer Überwachung durchführen.

Dringend empfehlen würde ich den Dry January all jenen, die sich wie ich vor drei Jahren häufiger mal verkatert fragen: Warum tue ich mir das an? Die sich regelmäßig vornehmen, nicht zu trinken, nur um dann doch zu trinken. Oder die sich fragen, ob sie einen Monat ohne Alkohol überhaupt durchstehen würden.

Ihr solltet den Dry January allerdings nichts als Freifahrtschein verstehen, es im restlichen Jahr noch kräftiger krachen lassen zu können. Ein Monat allein wird euch immerhin nicht langfristig vor den gesundheitlichen Folgen von zu hohem Alkoholkonsum bewahren. Laut der Weltgesundheitsorganisation wird Alkohol mit nicht weniger als 200 Krankheiten in Verbindung gebracht, darunter sieben Krebsarten. Es gibt kein unbedenkliches Maß an Alkohol, jeder Tropfen kann eine dieser Krankheiten begünstigen.

Wollt ihr ernsthaft und nachhaltig am Dry January teilnehmen, solltet ihr den Monat nutzen, um zu hinterfragen, warum und zu welchen Gelegenheiten ihr trinkt. Würde an manchen Abenden nicht auch ein alkoholfreies Bier oder eine Cola genügen? Ihr werdet sehen: Ein Leben ohne Alkohol ist keineswegs freudlos. Im Zweifel fühlt es sich intensiver an und ist sogar länger als eines mit Alkohol.