Muttertag: "Auch eine tote Mutter ist unglaublich wichtig"

Eltern sterben – und es ist immer zu früh. Doch wir reden kaum darüber. Drei Töchter erzählen, wie sich der Muttertag anfühlt, wenn die Mama nicht mehr da ist.

Was bedeutet der Muttertag, wenn die Mutter gestorben ist? (Bild: Getty Images)
Was bedeutet der Muttertag, wenn die Mutter gestorben ist? (Bild: Getty Images)

Isabell (44): "Das ist der erste Muttertag, an dem sie nicht mehr da ist"

Der Muttertag hat in meiner Familie immer schon eine große Rolle gespielt. Wir sind drei Geschwister – unsere jüngste Schwester hat am 8. Mai Geburtstag. So haben wir die beiden Anlässe immer schon verbunden, um groß zu feiern. Blumen, Kuchen, essen gehen…

Meine Mama ist letztes Jahr gestorben. Es war ein schöner Tod – kurz und schmerzlos. Ich bin dankbar, dass der Tag mit einem erfreulichen Anlass verknüpft ist und wir den Geburtstag meiner Schwester feiern können. Ich weiß, dass meine Mama zuschauen wird. Wir vermissen sie sehr, aber sie wird da sein.

Egal, was für ein Tag, was für ein Wetter, was gerade los war: Meine Mama war immer für uns da, hat uns stets aufgebaut. Wir drei Kinder waren alles für sie. Sie hat uns nie an ihrem Leid teilhaben lassen, obwohl wir natürlich wussten, dass sie manchmal litt. Hätte ich ihr erzählt, dass ich jemanden umgebracht habe, hätte sie geantwortet: "Dann hattest du einen guten Grund."

Die Mutter ist das Heiligste auf der Welt. Auch eine tote Mutter ist unglaublich wichtig. Als Gläubige finde ich sie an der Grabstätte als Ort des Gedenkens. Ich weiß aber immer, dass sie noch da ist. Ich stelle ihr eine Frage und natürlich antwortet sie nicht direkt und nicht gleich. Aber sie zeigt mir den Weg und die Antwort finde ich in meinem Herzen.

Allen, die ihre Mütter noch haben, möchte ich gerne sagen: Seid einfach für sie da. Nichts ist wichtiger. Nichts.

Sich sehen und berühren - das ist durch kein Geschenk aufzuwiegen. (Bild: Getty Images)
Sich sehen und berühren - das ist durch kein Geschenk aufzuwiegen. (Bild: Getty Images)

Anna (35): "Es ist viel wichtiger, sie einfach mal zu umarmen"

Seit meine Mama gestorben ist, ist der ganze Zirkus, der um den Muttertag gemacht wird, für mich nicht ganz einfach. Egal, wo man gerade unterwegs ist – in der Stadt oder im Internet – man wird mit dem Muttertag konfrontiert. Meine Mama hat dazu immer gesagt, dass es schade ist, Mütter nur an diesem einen Tag im Jahr zu feiern. Das sollte doch jeden Tag geschehen! Natürlich nicht mit Geschenken, die wollte meine Mama am Muttertag auch nie haben. Ich denke, dass ich ihr als Kind zum Muttertag Bilder gemalt oder Karten gebastelt habe, kann mich aber tatsächlich nicht mehr daran erinnern.

Heute habe ich das Gefühl, dass die Menschen regelrecht von den Medien und der Industrie dazu gezwungen werden, ihren Müttern völlig überteuerte Geschenke zu kaufen. Doch es sollte doch darum gehen, immer dankbar zu sein, dass man eine Mama hat. Ein Blumenstrauß ist toll. Aber viel wichtiger ist es doch, daran zu denken, seiner Mama regelmäßig zu schreiben, einfach mal auf einen Kaffee vorbeizufahren oder sie zu umarmen. Es gibt so viele Möglichkeiten, zu sagen oder zu zeigen: "Ich bin froh, dass es dich gibt und ich hab dich lieb." Materielle Dinge können das nicht ersetzen.

Es herrscht nicht überall die heile Mutter-Tochter-Welt. (Bild: Getty Images)
Es herrscht nicht überall die heile Mutter-Tochter-Welt. (Bild: Getty Images)

Katharina (33): "Meine Mutter war nicht liebevoll"

Schon bevor meine Mutter gestorben ist, hat mich der Muttertag aufgeregt. Überall die Bilder von glücklichen Kindern mit liebevollen Müttern… Meine war nicht liebevoll, was wahrscheinlich daran lag, dass sie eine schwere Alkoholikerin war. Schon in meiner Kindheit habe ich für mich selbst und oft auch für sie die Verantwortung übernommen. Ich habe die Flaschen gesucht und weggeschüttet. Dann hat sie mich angebrüllt oder mich geschlagen.

Den Muttertag finde ich heuchlerisch. Es gibt viele Kinder, denen es heute so geht wie mir damals. Doch die Werbung zeigt natürlich immer Bilder von glücklichen Familien. Das gibt dir das Gefühl, dass mit dir selbst etwas nicht stimmt und macht es umso schwerer, Grenzen zu ziehen – auch den eigenen Eltern gegenüber. Ich bin mit 16 Jahren zwar früh, aber eigentlich zu spät von Zuhause ausgezogen und hatte danach nicht mehr viel Kontakt zu meiner Mutter. Ich wollte ihr nicht beim Sterben zusehen. Seitdem versuche ich vor allem, nicht mehr wütend auf sie zu sein. Das klappt nicht immer.