Papier- und Stofftüten können umweltschädlicher sein als Plastik
Alle reden davon, dass Plastiktüten umweltschädlich sind. Das stimmt ebenso wie allerdings auch die Tatsache, dass Tragetaschen aus Papier und Stoffbeutel noch verheerender für die Umwelt sein können. Und zwar dann, wenn man falsch mit ihnen umgeht.
Plastiktüten haben einen schlechten Ruf. Sie werden bekämpft, verdammt, verteufelt. Zu Recht, wenn man bedenkt, dass viele Menschen einen falschen Umgang mit ihnen pflegen. Oftmals dienen sie als Einweg-Tragetaschen, nach einmaliger Anwendung landen sie bestenfalls im Müll, schlimmstenfalls in der Natur, wo sie dieser schaden. Bessere Alternativen sind Papiertüten und Stoffbeutel – denken viele. Nicht unbedingt. Mehr noch, werden auch sie falsch angewandt, ist ihre Ökobilanz sogar schlechter als die der Kunststofftüten.
Lesen Sie auch: Was tun deutsche Discounter und Supermarkt-Ketten im Kampf gegen Plastik?
"Viele Menschen denken, dass Papiertüten umweltfreundlicher als Plastik sind, aber das stimmt nicht", sagt Katharina Istel in einem Interview mit dem Magazin Watson. Die Referentin für Ressourcenpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) meint, dass Tragetaschen aus Papier sogar "schlechter" seien als das vielgescholtene Plastik. Der Grund: Bei ihrer Herstellung wird viel Energie und Wasser benutzt. "Papier ist ein industrielles Produkt, dessen Herstellung viel Energie und Chemie frisst", so Istel. Ihr Fazit: "Es bringt also nichts, von Papier- auf Plastiktüten umzusteigen."
Einkaufstüten mehrfach benutzen
Zumindest dann nicht, wenn eine Papiertüte nach einmaliger Anwendung entsorgt wird. Drei Mal müsste man sie mindestens benutzen, so die Nabu, will man ihre Ökobilanz ausgeglichen haben. Das gilt auch und erst Recht für die Baumwolltasche, deren umweltbelastende Auswirkung noch größer ist. Dazu Istel: "Beim Baumwollanbau werden wahnsinnig viele Pestizide eingesetzt, zudem ist der Wasserverbrauch sehr hoch." Eine Baumwolltüte müsste man demnach mehr als 100 Mal benutzen, wollte man ein reines Umweltgewissen haben. Selbst eine Tasche aus Bio-Baumwolle sei eine halbe Lösung des Problems, merkt die Expertin an, denn der Wasserverbrauch bei ihrer Herstellung bleibe trotz des Bio-Aspekts hoch.
Welche Erkenntnis ist daraus also gewonnen? Unter anderem die, dass es weniger darum geht, aus welchem Material eine Tragetüte besteht. Wichtig ist, dass sie mehrfach verwendet wird. "Man kann aus jeder Einwegtüte eine Mehrwegtüte machen, egal aus welchem Material sie ist", sagt Istel. Und es geht darum, jede Tüte richtig zu entsorgen. Das wiederum gilt vor allem für die Plastiktasche. Denn während Papier- und Stofftüten unsere Städte und die Natur ebenso verschmutzen, ist die Verunreinigung durch Plastik weitaus folgenschwerer. Viele Kunststoffe zersetzen sich erst nach Jahrhunderten, ihr Abfall gefährdet Meere, Fische und letztlich auch den Menschen. Umso wichtiger ist es, sie über den Gelben Sack und die Gelbe Tonne dem Recyclingkreislauf zuzuführen.
Politik muss entschieden handeln
Am Zug sind aber nicht nur die Verbraucher. Auch die Politik muss entschiedener als bisher ihren Beitrag leisten. Erste Schritte gehen in diese Richtung. In Deutschland haben sich im Sommer 2016 viele Handelsvertreter zur freiwilligen Vereinbarung verpflichtet. Seither müssen Verbraucher in vielen Geschäften für eine Plastiktüte Geld bezahlen. Das zeigt Wirkung. Nach drei Jahren fiel der Verbrauch auf 20 Kunststofftaschen pro Kopf und Jahr, hieß es im September letzten Jahres in einer Mitteilung der Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Zum Vergleich: Im Jahr der Vereinbarung waren es 70 Plastiktüten.
Lesen Sie auch: Die Coca-Cola Company ist der größte Plastiksünder
Damit der Wert auf Null fällt, will Schulze ein Plastiktütenverbot durchsetzen. Hintergrund des entsprechenden, bereits auf den Weg gebrachten Gesetzentwurfs ist auch die Umweltpolitik der Europäischen Union. In ihrer Verpackungsrichtlinie schreibt sie den Mitgliedsstaaten vor, den Verbrauch von Einweg-Plastiktüten bis 2025 auf maximal 40 Stück pro Kopf und Jahr zu begrenzen.
Die Kritiker bleiben trotz dieser Entwicklungen skeptisch. Sie vermissen konsequente Handlungen auch seitens der Politik. Es gebe zu viele Ausnahmen – siehe den Umstand hierzulande, dass nicht alle Branchen sich der freiwilligen Vereinbarung angeschlossen haben. Auch würde die Grenze hin zum Verbot umweltschädlicher Materialen willkürlich gezogen. Das ist auch der Vorwurf der Nabu-Referentin Istel, die darüber hinaus so manche gesetzliche Maßnahme für nicht umfassend genug hält. Während die Politik das Problem Plastiktüte anpacke, bliebe das Problem der Papier- und Stofftüten unbeachtet. Es fehlten entsprechende Daten, so die Expertin. Auch fordert sie, dass alle Einwegtragetaschen mit einer staatlichen Abgabe versehen werden. "Ganz egal, welche Größe und welches Material sie haben."
VIDEO: Nachhaltig einkaufen! So nähst du dir deine eigene Leinentasche