Pharmakologe erklärt: Warum er niemals zu Grippemitteln wie "Wick MediNait" greifen würde

Die Winterzeit ist auch Erkältungszeit und damit der Griff zu Medikamenten zur augenscheinlich schnelleren Genesung schnell getan. "Wick MediNait" verspricht genau das – aber ist das gut?

Für viele ist es inzwischen nicht mehr das erste Mal: Eine Krankheitswelle jagt die nächste und ständig steckt man sich wieder an. Husten, Schnupfen und der Kopf ist dicht – Erkältungen sind wirklich ziemlich lästig. Freiverkäufliche Präparate aus der Apotheke versprechen, schnelle Abhilfe zu schaffen und das dabei gleich bei mehreren Symptomen auf einmal. Bekannt dafür ist vor allem "Wick MediNait": gleich sechs Erkältungssymptomen auf einen Schlag soll es zur Besserung verhelfen. Realistisch und sinnvoll oder doch zu viel versprochen und belastend? Pharmakologe Dietmar Fischer, Direktor des Zentrums für Pharmakologie an der Uniklinik Köln, erklärt in der Berliner Morgenpost, warum er das Präparat mit Vorsicht genießen würde.

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"Wick MediNait": Alkohol und andere Stoffe

"Wick MediNait" ist ein Erkältungssirup, der zur Behandlung von Erkältungssymptomen in der Nacht verwendet wird. Er enthält eine Kombination aus Wirkstoffen, die verschiedene Symptome lindern sollen:

  • Paracetamol: Schmerzstillend und fiebersenkend

  • Dextromethorphan: Hustenreizdämpfend

  • Ephedrin: Abschwellend für die Nasenschleimhäute

  • Doxylamin: Antiallergisch und schlaffördernd

Der Sirup soll helfen, Erkältungsbeschwerden wie Husten, Schnupfen, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Fieber zu lindern und einen erholsamen Schlaf zu fördern. Dabei enthält das Medikament zusätzlich ganze 18 Prozent Alkohol, was, zusätzlich zum enthaltenen Paracetamol, die Leber belasten kann und insbesondere bei regelmäßiger Anwendung oder bereits bestehender Lebererkrankung nicht unbeachtet bleiben sollte, so der Pharmakologe. Bei gelegentlicher Einnahme ist die Alkohol- und auch die Paracetamolkonzentration des Präparats hingegen im moderaten Bereich und sollte daher kaum eine Belastung für die Leber darstellen.

Trotzdem beschreibt der Pharmakologe den Alkoholgehalt des Medikaments als "kleinen Schnaps am Abend", dabei sei Alkohol das Letzte, woran er bei einer Erkältung denken würde. Laut Hersteller dient der Alkohol in dem Präparat lediglich als Hilfsstoff, um die Inhaltsstoffe zu lösen und das Produkt zu konservieren.

Tipp: Alternativ gibt es eine alkoholfreie Variante mit Anisgeschmack, die zudem auf Ephedrin verzichtet.

Bedenklicher Inhaltsstoff: Nebenwirkungen inklusive

Laut Fischer gibt es trotzdem schwerwiegendere Bedenken bezüglich des Medikaments. Besonders die weit verbreitete, scheinbar unkritische Nutzung von "Wick MediNait" sieht er kritisch. Das Präparat enthält neben Paracetamol noch drei weitere Wirkstoffe, darunter Ephedrin. Dieser beeinflusst das zentrale Nervensystem, indem er den Blutdruck erhöht, die Herzfrequenz steigert und die Bronchien erweitert. Zudem sorgt er für ein Abschwellen der Nasenschleimhaut und erleichtert so die Atmung.

Allerdings könne Ephedrin laut Fischer für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, etwa Bluthochdruck oder ein erhöhtes Schlaganfallrisiko, gefährlich sein. Zudem weist er darauf hin, dass der Wirkstoff psychische Nebenwirkungen wie Angstzustände hervorrufen kann.

Experten-Tipp: Aus seiner Sicht ist es nicht nötig, den gesamten Körper mit Ephedrin zu belasten, wenn eine verstopfte Nase auch mit herkömmlichen Nasensprays behandelt werden kann. Diese enthalten oft Xylometazolin, das gezielt auf die Schleimhäute wirkt und den Körper weniger beansprucht. Richtig angewendet, seien solche Sprays für die meisten Menschen bis zu sieben Tage lang unbedenklich.

"Genesung über Nacht": Ist Schlafmittel enthalten?

Ein weiterer Inhaltsstoff von "Wick MediNait" ist Doxylamin, ein sedierendes Mittel, das vor allem bei Schlafstörungen eingesetzt wird. Fischer hinterfragt, ob es sinnvoll ist, bei einer Erkältung zusätzlich einen müde machenden Wirkstoff und Alkohol zu kombinieren, da man sich ohnehin bereits erschöpft fühlt. Er sieht auch die Gefahr, dass das Medikament missbräuchlich als Einschlafhilfe verwendet werden könnte. Der Hersteller hingegen erklärt, dass Doxylamin in erster Linie bei Schnupfen und Nasenlaufen hilft.

Zudem enthält das Medikament Dextromethorphan, einen Hustenstiller, der den Hustenreiz unterdrückt. Laut dem Pharmakologen sollte produktiver Husten als Hilfe für den Abtransport von Schleim gesehen werden – ein Stiller funktioniert hier also eher kontraproduktiv. Während Dextromethorphan als Mittel gegen Reizhusten hilft, kann es in höheren Dosen auch missbraucht werden und als Folge Halluzinationen verursachen. Aber keine Sorge: In der niedrigen Dosis von "Wick MediNait" sei dies jedoch sehr unwahrscheinlich.

Fazit: Kombipräparate mehr Belastung als helfender Allrounder

"Ich halte es für unsinnig, alle vier Wirkstoffe gleichzeitig einzunehmen", zieht Fischer sein Fazit. Denn Erkältungen verlaufen oft unterschiedlich und in Phasen, sodass nicht immer alle Symptome gleichzeitig auftreten. Laut dem Experten kann die Einnahme eines Kombinationspräparats daher unnötig den Körper belasten. Stattdessen hält er es für sinnvoller, gezielt Medikamente wie Paracetamol oder Ibuprofen bei Gliederschmerzen und Nasenspray zu verwenden – und das zu deutlich geringeren Kosten.

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Abschließend betont Fischer zudem, dass bei einem so komplexen Kombinationspräparat die individuelle Beratung in einer Apotheke dringend notwendig sei. Dort könne auf individuelle Risiken und Kontraindikationen eingegangen und das richtige Medikament gefunden werden.


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