"Rette deinen Zahn": So verhältst du dich nach einem Zahnunfall richtig
Bei richtigem Handeln ist der Zahnerhalt meistens möglich
Unfälle mit Zahnverletzungen sind keine Seltenheit. Einmal blöd beim Skateboarden den Asphalt geküsst oder beim Hockey den Schläger ins Gesicht bekommen – schon fehlt der halbe Schneidezahn. Laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erleidet jedes dritte Kind eine Verletzung der Zähne beim Schulsport oder in der Freizeit. Dafür muss man nicht mal besonders aktiv sein: So ist sicherlich dem ein oder der anderen auch schon beim Essen ein Stück Zahn abgebrochen.
Was dann zu tun ist, wissen viele Menschen nicht – das zeigt eine repräsentative Umfrage im Auftrag des DGET (Deutsche Gesellschaft für Endodontie und zahnärztliche Traumatologie e.V.). Deshalb hat die DGET als eine der größten zahnmedizinischen Fachgesellschaften in Deutschland die Website "Rette deinen Zahn" ins Leben gerufen. So solltest du dich im Fall eines Zahnunfalls verhalten.
Zahnerhalt ist meistens möglich – wenn man richtig handelt
Gerade im frühen Jugendalter ereignen sich Verletzungen der Frontalzähne. Denn zu diesem Zeitpunkt sind die Zahnwurzeln noch nicht vollständig ausgebildet. Wie die Umfrage der DGET zeigt, hatten so bereits 66 Prozent der Deutschen einen Zahnunfall. Beinahe genauso viele der Befragten (65 Prozent) wissen aber nicht, was man mit einem abgebrochenen Zahn am Unfallort tun soll.
Grundsätzlich gilt, bei einem Zahnunfall Ruhe zu bewahren. Denn laut der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist der Zahnerhalt "meistens möglich" – wenn die Betroffenen richtig handeln.
Dazu gehört auch, sofort einen Zahnarzt oder eine Zahnärztin aufsuchen, oder sich in einer Zahnklinik vorzustellen. Und das egal, welcher Zahnunfall genau vorliegt. In der Zwischenzeit gibt es aber auch diverse Maßnahmen, die man je nach Unfall ergreifen kann. Als Faustregel für alle jetzt kommenden Fälle gilt: Niemals den Zahn reinigen oder trocken lagern!
Maßnahmen bei einem angeschlagenen Zahn
Fallbeispiel Nummer 1: Der Handball landet statt im Tor mit voller Wucht im eigenen Gesicht. Der Zahn ist noch am Stück und fällt auch nicht aus, ist aber angeschlagen.
Das kann sich in Form einer Konkussion äußern. Dabei handelt es sich um eine Stauchung oder Erschütterung des Zahnes in der Alveole, dem knöchernen Zahnfach, in dem die Zahnwurzeln stecken.
Ist das der Fall, sollte man die Situation so belassen wie sie ist und abhängig von den Schmerzen entweder am selben Tag oder auch wenige Tage nach dem Unfall einen Zahnarzt oder eine Zahnärztin aufsuchen. Stellt man fest, dass eine stärkere Berührungsempfindlichkeit vorliegt, können die Expert*innen den verletzten Zahn schienen.
Natürlich kann das Handball-Trauma aber auch dazu führen, dass der Zahn gelockert wird. Es kann auch vorkommen, dass der Zahn nicht mehr in seiner ursprünglichen Position ist und demnach verschoben wurde. Auch in diesen Fällen gilt, die Situation so zu belassen. Allerdings sollte man noch am selben Tag zahnärztliches Fachpersonal aufsuchen. Auch hier kann der verletzte Zahn bei stärkerer Berührungsempfindlichkeit geschient werden.
Maßnahmen bei einem (ab-)gebrochenen Zahn
Fallbeispiel Nummer 2: Der Hockeyschläger trifft nicht den Ball, sondern die Vorderzähne eines Gegners. Hier kann es zu mehreren Schäden kommen. Einer davon ist der Schmelzriss: Wie der Begriff bereits andeutet, sind hier im Zahnschmelz Risse zu erkennen.
Diese Verletzung muss aber nicht zwangsläufig durch einen Schlag entstehen – er kann auch bereits bei einem zu großen Temperaturunterschied eintreten, der auf den Zahn einwirkt, wie beispielsweise im Winter, wenn der kalte Wind den Zahn berührt und man im Anschluss einen heißen Tee trinkt.
Die Risse befinden sich auf der Zahnoberfläche und sind in der Regel nicht gefährlich. Dennoch sollte man in diesem Fall am selben Tag oder nach wenigen Tagen das Fachpersonal aufsuchen. Außerdem ist eine klinische Kontrolle und das Erstellen eines Röntgenbilds sinnvoll.
Durch das Trauma mit dem Hockeyschläger kann es aber auch zu einer Kronenfraktur kommen. Diese kann mit oder ohne der Beteilung des Zahnnervs auftreten. Während Schmelzfrakturen nur auf den Zahnschmelz begrenzt sind, weitet sich der Schaden bei einer Kronenfraktur auch auf das Dentin aus.
Das Dentin ist Knochen ähnlich und wird auch Zahnbein genannt. Es kann als "lebendes" Gewebe Schmerzimpulse weiterleiten. Bei einer Kronenfraktur ist also ein Teil des Zahns abgebrochen.
Laut der DGET-Umfrage wissen 62 Prozent der Befragten nicht, ob abgebrochene oder ausgeschlagene Zähne wieder eingeklebt bzw. eingepflanzt werden können. Damit der abgebrochene Zahn wieder angeklebt werden kann, ist es wichtig, die abgebrochenen Zahnteile zu suchen und in Wasser zu legen.
Ist der Zahnnerv eröffnet, muss er sofort versorgt werden. Deshalb ist es wichtig, noch am selben Tag Zahnärzt*innen aufzusuchen. Kann der abgebrochene Teil des Zahnes nicht mehr angeklebt werden, besteht die Möglichkeit, den Zahn mit einer Füllung wieder aufzubauen.
Das ist zu tun, wenn ein Teil des Zahnes komplett abgetrennt ist vom Rest des Zahns. Was aber, wenn der Zahn gebrochen ist, aber noch irgendwie am Zahnfleisch hängt? Das geschieht bei einer Kronen-Wurzel-Fraktur. Auch in diesem Fall heißt es: Ruhe bewahren, die Situation so belassen und noch am selben Tag das zahnärztliche Fachpersonal aufsuchen.
In einer Praxis oder Klinik müssen die zuständigen Expert*innen entscheiden, welche Maßnahmen zum Erhalt des Zahns ergriffen werden können.
Last but not least, kann es beim ungestümen Hockey-Beispiel auch zu einer Wurzelfraktur kommen. Hier ist die Zahnkrone gelockert oder verschoben. Ob die Wurzel gebrochen ist, lässt sich nur anhand eines Röntgenbilds erkennen. Da man das in der Regel schwer zu Hause selbst erstellen kann, muss auch hier der Gang zum Fachpersonal erfolgen und das noch am Tag der Verletzung. Wie immer gilt auch hier: Die Situation so belassen, wie sie ist.
Sollte ein Bruch in der Wurzel vorliegen, kann der Zahn möglicherweise trotzdem erhalten bleiben. Auch hier kann der verletzte Zahn bei einer stärkeren Berührungsempfindlichkeit geschient werden.
Maßnahmen bei einem ausgeschlagenen oder verschobenen Zahn
Fallbeispiel Nummer 3: Der Frontside Boardslide auf dem Skateboard geht schief und man fängt den Fall mit dem eigenen Gebiss ab. Kommen wir also endlich zu den ausgeschlagenen Zähnen, der Avulsion.
Laut der Consumer-Umfrage des DGET kennen nur 29 Prozent der Befragten die Möglichkeiten zur Lagerung eines ausgeschlagenen Zahns – dabei ist die richtige Lagerung von größter Wichtigkeit.
Wichtig: Er darf dabei nur an der Zahnkrone angefasst werden! Im Idealfall kommt der Zahn dann in eine Zahnrettungsbox. In dieser Box überleben laut Zahn.de "Zellen im Zahnhaltegewebe der Zähne bei Zimmertemperatur mindestens 24 Stunden".
Wie Prof. Dr. Gabriel Krastl erklärt, gibt es diese Boxen oft an Schulen, Sportstätten oder in Schwimmbädern. Da man eine solche Box im Alltag womöglich eher selten dabei hat, oder man bis eben gar nicht wusste, dass diese existieren (70 Prozent der DGET-Befragten kennen Zahnrettungsboxen auch nicht), gibt es auch noch andere Maßnahmen, um den ausgeschlagenen Zahn zu lagern.
So ist kalte H-Milch die beste Alternative – im Notfall kann der Zahn aber auch mit Speichel befeuchtet oder feucht in Frischhaltefolie gepackt werden. Es ist dringend notwendig, sofort einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen – denn der ausgeschlagene Zahn kann in der Regel wieder eingesetzt oder geschient werden und gut verheilen, wenn er nicht zu lange trocken gelagert wurde.
Laut Prof. Dr. Krastl kann man den Zahn aber auch vor Ort ins Knochenfach zurücksetzen. Das trauen sich aber wohl – verständlicherweise – eher wenige. Aber es ist gut zu wissen, dass das eine valide Methode wäre, den Zahn zu erhalten.
Natürlich muss der Zahn bei einem Unfall nicht direkt aus dem Kiefer fallen – es kann auch zu einer Verschiebung des Zahns im Kiefer kommen – der Zahn erscheint dann verlängert. Bei der sogenannten Extrusion sollte man bei einer starken Blutung sanft auf ein sauberes Tuch beißen und die Situation – du ahnst es bereits – so belassen.
Der Weg sollte noch am selben Tag zum Fachpersonal führen, wo der Zahn unter örtlicher Betäubung wieder an seinen rechtmäßigen Fleck gebracht und geschient wird. Diese Maßnahmen gelten alle genauso auch bei einer Lateralen Dislokation, bei der der Zahn nach innen oder außen verschoben wird, sowie bei der Intrusion, bei der der Zahn, wie das "In" im Wort schon ankündigt, in den Kiefer verschoben wird.
Verhalten nach dem Zahnunfall
Wie man sieht, sind die Maßnahmen nicht einmal halb so aufwendig, wie man vielleicht vermutet hätte. Nach dem Unfall ist aber vor dem Unfall – so rät der DGET dazu, den Tetanusschutz zu überprüfen und im Zweifelsfall eine Auffrischungsimpfung durchzuführen.
Bei Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen oder starken Kopfschmerzen sollte umgehen ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden. Hemmungslos auf Äpfeln zu kauen, muss in den ersten zwei Wochen nach dem Unfall vermieden werden – der verletzte Zahn darf in dieser Zeit nicht übermäßig belastet werden.
Um den Bereich so sauber wie möglich zu halten, ist es außerdem ratsam, auf weiche und klebrige Lebensmittel zu verzichten. Und auch wenn es sicherlich schwerfällt: Eine sorgfältige Mundhygiene ist gerade nach einer Verletzung essenziell. Dazu kann eine Woche lang zweimal täglich eine alkoholfreie Chlorhexidin-Lösung (0,12%) als Mundspülung verwendet werden. Nach 3 Wochen, 6 Wochen, 3 Monaten und 12 Monaten sollten Kontrolltermine stattfinden.
Treten Schmerzen auf, muss sofort eine zahnärztliche Einrichtung aufgesucht werden.
Was man zudem erwähnen muss, aber eigentlich absolut klar sein sollte: Gerade in den ersten Wochen nach dem Unfall sollten weitere Unfälle vermieden werden. Das ist natürlich leichter gesagt als getan – im Normalfall passiert ein Unfall ja eher zufällig. Aber von riskanten Stunts im Skatepark oder wilden Karate-Moves sollte man eher absehen! Wer ein Händchen dafür hat, ständig seine Zähne zu verletzten, oder vorsorglich gar keine Lust hat, jemals in die Situation zu kommen, einen ausgeschlagenen Zahn in Milch einlegen zu müssen, könnte auch über einen Mundschutz nachdenken.
Laut Prof. Dr. Gabriel Krastl hilft dieser nicht nur, die Folgen eines Zahnunfalls zu minimieren – er beugt auch Kieferverletzungen vor. Ist vielleicht kein modisches Accessoire für den Alltag, aber vielleicht für Sportaktivitäten eine Überlegung wert.