Sex im hohen Alter: Was gibt es zu beachten?
Intimität, Sex und Nähe sind auch im Alter ein wichtiger Bestandteil einer Beziehung
Laut einer Studie der Universität Leipzig haben die Deutschen heute weniger Sex als noch vor 10 oder 20 Jahren. Zudem bringt die Untersuchung so einige Klischees ins Wanken: So sind mehr Paare zwischen 60 und 70 Jahren sexuell aktiv als junge Singles.
Tatsache ist: Romantische Beziehungen sind für das Wohlbefinden und die Lebensqualität in jedem Alter wichtig. Dennoch ist die Sexualität älterer Menschen oftmals ein Tabuthema.
Im Internet finden sich zahlreiche Beiträge von jungen Menschen, die sich fragen: Haben ältere Menschen überhaupt noch Sex? Die Antwort lautet: Ja, na klar! Aber natürlich gibt es ab einem bestimmten Alter einiges zu beachten.
Sex auch im Alter wichtiger Bestandteil
Wie die Diplom-Psychologin und Sexualtherapeutin Shannon Chavez gegenüber der Huffington Post erklärt, können gesellschaftliche Tabus und altersfeindliche Einstellungen dazu geführt haben, dass über die Sexualität älterer Menschen zu sprechen, zum Randthema geworden ist.
Das führt natürlich dazu, dass es weniger Diskussionen gibt und sexuell aktive ältere Menschen auch weniger repräsentiert werden. Oder wie oft hast du schon in Filmen oder Serien Senior*innen gesehen, die sich leidenschaftlich die Kleider vom Leib reißen und sich lieben? Viel öfter passiert es doch, dass der Akt in diesen Fällen ins Lächerliche gezogen wird oder uns gruseln soll, wie beispielsweise im Horrorstreifen "Pearl". Das Ziel sollte aber eigentlich sein, eine gesündere Einstellung zur Sexualität älterer Menschen zu fördern.
Für eine Studie des National Poll on Healthy Aging vom Oktober 2017 wurden Erwachsene im Alter von 65 bis 80 Jahren zu ihren Ansichten über Beziehungen und Sex befragt. Das Ergebnis: Die meisten der Befragten (76 Prozent) stimmten der Aussage zu, dass Sex auch im Alter ein wichtiger Bestandteil einer romantischen Beziehung ist.
Auch eine Studie der Universität Leipzig lieferte eindeutige Ergebnisse: "Unter den über 75-Jährigen spürten immerhin noch 61 Prozent der Frauen und 58 Prozent der Männer ein regelmäßiges sexuelles Verlangen", erklärt Medizinpsychologe Prof. Dr. Elmar Bräthler.
Also warum ist die Wahrnehmung in der Gesellschaft, dass ältere Menschen keinen Sex mehr haben können und wollen? Das könnte damit zusammenhängen, dass sich vor allem die körperlichen Funktionen mit steigendem Alter in fast allen Bereichen kontinuierlich abbauen. Die logische Schlussfolgerung ist demnach, dass älter werdende Menschen ein inaktiveres Sexleben aufweisen müssen.
Aufgrund der Zuschreibung der Gesellschaft von außen, können sich Senior*innen selbst als asexuell empfinden, weil sie das Gefühl haben, den Erwartungen entsprechen zu müssen. Ältere Menschen können ihre sexuellen Bedürfnisse als schamhaft empfinden und als unpassend – vor allem wenn dann auch noch altersbedingte Schwierigkeiten beim Akt an sich hinzukommen.
Das Altern kann tatsächlich zu körperlichen Veränderungen führen, die aber kein Hindernis für den Geschlechtsverkehr sein müssen.
Körperliche Hindernisse beheben durch angepassten Geschlechtsakt und Hilfsmittel
So erklärt die Sexualtherapeutin Shannon Chavez, dass Sex auch trotz Mobilitätseinschränkungen oder Gelenkschmerzen möglich ist: Die Verwendung von Produkten wie Kissen als Unterstützung oder das Ausprobieren weniger körperlich anstrengender Stellungen können zu einer erfüllten sexuellen Erfahrung beitragen.
Auch die Offenheit für Experimente oder die Anpassung der Praktiken an die veränderten Bedürfnisse des eigenen Körpers können für weitere genussvolle Momente sorgen. So ist es im Alter wichtiger, den Akt weniger performativ zu betrachten und sich mehr auf das zu konzentrieren, was Vergnügen und Verbindung in der Partnerschaft schafft.
Eine Studie aus den USA hat ergeben, dass 24 Prozent der Frauen nach der Menopause nie und 41 Prozent nur selten Lust verspüren. Aber 91 Prozent erleben trotzdem noch Erregung. Dementsprechend kann man ableiten, dass ein spontanes Verlangen eher abflacht – dennoch gibt es ja die Möglichkeit, sich selbst in Stimmung zu bringen. Emotionale Verbundenheit und Intimität stehen im Vordergrund.
Qualität statt Quantität: Gemeinsam wohlfühlen
So erklärt ein Paar gegenüber der Huffington Post, dass es jeden Freitag miteinander schlafen würde. Wer jetzt denkt, dass nur Spontanität Schwung in die Kiste bringt, irrt: Das Paar findet genug Mittel und Wege, das Freitags-Date spannend zu gestalten.
Die Universität Rockstock kam in Zusammenarbeit mit der Queen Mary University of London zu dem Ergebnis, dass Zärtlichkeit im Alltag älterer Paare eine höhere Priorität hat als Sexualität. "So räumten im Alter von 74 Jahren 91 Prozent der Männer und 81 Prozent der Frauen Zärtlichkeit einen wichtigen Platz in ihren Partnerschaften ein", sagt Dr. Britta Müller vom Forscherteam der Universitätsmedizin Rostock.
Klar, denn Körperkontakt und Intimität erreicht man nicht nur mit Sex. Die Paare der Studie gaben an, auch durch "Streicheln, Schmusen und Kuscheln" dem wachsenden Bedürfnis nach gegenseitiger körperlicher Nähe nachzugehen.
Biologische Faktoren des Alterns müssen berücksichtigt werden
Einige der biologischen Veränderungen, denen man im Alter begegnet, sind Hormonumstellungen. Zu den Folgen der Wechseljahre der Frau zählt unter anderem eine verminderte Östrogenproduktion und vaginale Trockenheit. Das führt oft zu Unbehagen beim Geschlechtsverkehr. In diesem Fall können "Gleitmittel und länger wirkende vaginale Feuchtigkeitscremes helfen" – so die Psychologin Rachel Needle gegenüber der Huffington Post.
Zudem gibt es diverse Hilfen im Internet wie die Seite lilli.ch, ein Schweizer Onlineangebot für sexuelle Gesundheit. Dort gibt es neben Beckenbodenübungen für Frauen auch unter anderem hilfreiche Blogeinträge, wie zum Beispiel zum Thema Sex mit Inkontinenz.
Der Schlüssel ist, in den Dialog zu treten
Laut der AOK raten Psycholog*innen dazu, sich von Leistungsgedanken, die möglicherweise in jungen Jahren an Sex gekoppelt waren, zu verabschieden. Zudem sei ein Umdenken bei Gesundheitsdiensten und Ärzt*innen wichtig. So sollten auch ältere Menschen die Möglichkeit haben, offen über ihre Sexualität zu sprechen. Bei Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen sollte das Personal Raum für Intimität schaffen.
Das bedeutet aber auch, dass in Berufsgruppen, die mit älteren Menschen zu tun haben, aktuelles Wissen über das Sexualleben alternder Menschen bestehen muss und auch über die Veränderungen in der Sexualität der Senior*innen aufgeklärt werden sollte.
Für Menschen in einem höheren Alter ist es wichtig, ihre Sexualität als Realität anzuerkennen und zu akzeptieren. Entsprechend ist darauf zu achten, die falschen Vorstellungen von asexuellen Senior*innen in unterschiedlichen Bereichen zu korrigieren.
Vielleicht ist so auch heute eine weitere sexuelle Revolution möglich – hat ja schon einmal funktioniert, also warum nicht auch im Jahr 2024?
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