Vorfälligkeitsentschädigung: Was zahlen Sie wann?

Den Kredit frühzeitig abzubezahlen ist zwar möglich, kann aber auch deutlich teurer ausfallen. Erfahren Sie in diesem Beitrag, worauf Sie bei einer Vorfälligkeitsentschädigung achten sollten.
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Eine Vorfälligkeitsentschädigung kann richtig teuer werden. Wenn Sie einen langfristigen Kreditvertrag vorzeitig kündigen, stellt Ihnen die Bank in der Regel eine Rechnung. Wir verraten Ihnen, wie hoch die Vorfälligkeitsentschädigung ist, wie sie berechnet wird und wie Sie die Extra-Kosten umgehen können.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Eine Vorfälligkeitsentschädigung, bisweilen "VFE" abgekürzt, muss man zahlen, wenn man einen langfristigen Kredit vorzeitig kündigen möchte.

  • Bei einer Restlaufzeit von über einem Jahr darf das Kreditinstitut bei Verbraucherdarlehen maximal ein Prozent der Restschuld verlangen. Läuft der Vertrag kürzer, ist maximal ein halbes Prozent möglich.

  • Zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung kann die Bank zwei Verfahren heranziehen: Die Aktiv-Aktiv-Methode oder die Aktiv-Passiv-Methode.

Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?

Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist nichts anderes als ein Schadensersatzanspruch der Bank im Rahmen eines Darlehensvertrags. Diesen kann das Kreditinstitut verlangen, wenn Sie aus einem langfristigen Kredit vor Ende der Laufzeit aussteigen möchten oder müssen. Denn nicht immer läuft im Leben alles wie geplant: Eine Scheidung oder der Verlust des Arbeitsplatzes können Sie dazu zwingen Ihre Immobilie ungewollt oder vorzeitig zu verkaufen und Ihren Kreditvertrag zu kündigen. Oder eine Erbschaft spült eine hohe Geldsumme in Ihre Haushaltskasse – und macht die Tilgung des geliehenen Betrags auf einen Schlag möglich. 

Doch wie so oft gilt auch in diesem Fall: Des einen Freud ist des anderen Leid. Während Sie nach einer finalen Rückzahlung endlich schuldenfrei sind, ist es für die Bank ein Schaden, denn sie macht durch Ihre vorzeitige Kündigung ein Verlustgeschäft. Es fehlen die Zinsen, die Sie ihr in den nächsten Jahren gezahlt hätten. Man spricht dann auch von einem Zinsschaden für die Bank oder von Vorfälligkeitszinsen. Für diesen finanziellen Schaden müssen Darlehensnehmer ihr Kreditinstitut entschädigen – und zwar in Form der besagten Vorfälligkeitsentschädigung. Hat die Bank das vereinbarte Darlehen noch nicht ausgezahlt, spricht man auch von einer Nichtabnahmeentschädigung. Hierbei gelten dieselben Regelungen wie bei der Vorfälligkeitsentschädigung.

Wie hoch ist die Vorfälligkeitsentschädigung?

Die rechtlich zulässige Höhe ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Bei einer Restlaufzeit des Verbraucherdarlehens von über einem Jahr darf das Kreditinstitut höchstens ein Prozent, bei unter einem Jahr maximal ein halbes Prozent der Restschuld von Ihnen verlangen. Achtung: Ratenkredite, die vor dem 11.06.2010 unterschrieben wurden, sind von dieser Regelung ausgenommen. Bei diesen Verträgen gilt: Die Bank muss bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung die maximal erlaubte Sondertilgung sowie Verwaltungskosten und Risikoersparnis von der Kreditsumme abziehen. 

Damit es kein böses Erwachen gibt, können Sie die exakte Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung im Voraus von Ihrer Bank berechnen lassen. Allerdings kann diese dafür Gebühren von bis zu 250 Euro verlangen. Oder Sie wenden sich an die Verbraucherzentrale: Hier müssen Sie vergleichsweise weniger (circa 70 Euro) zahlen. Kostenlose Rechner im Internet geben Ihnen eine erste Orientierung, liefern jedoch kein exaktes Ergebnis.

Was gilt bei der Baufinanzierung?

Auch bei der Baufinanzierung hat die Bank Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung. Aber: Hier gelten andere Bestimmungen als bei „normalen“ Ratenkrediten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehren Urteilen entschieden, dass die Bank für die Berechnung der Entschädigung die Rendite für Pfandbriefe heranziehen muss. Die Immobilie dient der Bank als Sicherheit für den Kredit. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung richtet sich bei der Baufinanzierung daher nach dem Zinssatz, den die Bank für eine Ersatzanlage zugrunde legt. 

Es gilt: Je niedriger der Zinssatz, desto höher ist die Entschädigung, die Sie zahlen müssen. Ausschlaggebend für die Höhe der Entschädigung ist vor allem der Sollzinssatz, zu dem das Kreditinstitut das Geld des gekündigten Immobilienkredits wieder anlegen kann.

Wichtig

Im schlimmsten Fall müssen Sie bei einer vorzeitigen Ablösung des Darlehensvertrags mit einer Entschädigung in fünfstelliger Höhe rechnen. Überlegen Sie es sich also gut, ob es sich lohnt, die Baufinanzierung vorzeitig zu beenden oder ob der geliehene Betrag nicht doch besser wie geplant zurückgezahlt werden sollte.

Übrigens: Sie dürfen ein Immobiliendarlehen nur aus triftigem Grund vorzeitig beenden – zum Beispiel weil Sie die Wohnung oder das Haus verkaufen wollen. Ob eine Vorfälligkeitsentschädigung beim Hausverkauf gezahlt werden muss, ist abhängig von der jeweiligen Situation. Lassen Sie sich im Zweifelsfall von einem Anwalt beraten. Möchten Sie zu einer anderen Bank wechseln (zum Beispiel weil diese Ihnen attraktivere Konditionen für Ihre Baufinanzierung anbietet), kann Ihr Kreditinstitut Ihren Antrag ablehnen. Eine Kreditumschuldung ist in den Augen der meisten Banken kein Kündigungsgrund.

Tipp

Schauen Sie in Ihrem Vertrag nach, ob Ihre Bank Ihnen ein Sonderkündigungsrecht gewährt.

Wann muss man keine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen?

Keine Regel ohne Ausnahmen. Das gilt auch für die Vorfälligkeitsentschädigung. Trifft einer der folgenden Punkte auf Ihre Situation zu? Dann müssen Sie im besten Fall nach Ihrer Kündigung gar keine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen.

  • Die Bank hat den Vertrag gekündigt:
    Können Sie die Raten für Ihren Kredit nicht mehr bezahlen, kann Ihnen die Bank kündigen und Ihnen sogenannte Verzugszinsen in Rechnung stellen. Eine Vorfälligkeitsentschädigung darf sie jedoch nicht verlangen.

  • Die Kündigung erfolgt einvernehmlich:
    Nur selten sind sich Bank und Kreditnehmer über die Vertragsauflösung einig. Doch es kommt vor – zum Beispiel, wenn der Kreditnehmer die Höhe seines Darlehens bei derselben Bank anpassen möchte. Haben Kreditnehmer und Kreditgeber die neuen Konditionen ausgehandelt, wird ein neuer Vertrag aufgesetzt und der alte erlischt. Für den gekündigten Altvertrag darf die Bank nun keine Vorfälligkeitsentschädigung in Rechnung stellen.

  • Im Vertrag wurde ein variabler Zinssatz vereinbart:
    Wenn es um die Baufinanzierung geht, vereinbaren Banken und Kreditnehmer in der Regel einen festen Zinssatz über einen bestimmten Zeitraum. Das bedeutet, dass die Zinsen für den Kredit während der Laufzeit konstant bleiben. Es gibt allerdings auch Banken, die Darlehen mit variablen Zinssätzen anbieten. Für diese Darlehen gilt: Sie dürfen mit einer Frist von drei Monaten ohne Vorfälligkeitsentschädigung kündigen.

Ein Anwalt kann Sie im Zweifelsfall beraten und prüfen, ob Sie eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen müssten.
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  • Sonderkündigungsrecht bei Verträgen mit langer Zinsbindung:
    Eine ähnliche Regelung gilt für eine Baufinanzierung mit einer Zinsbindung über zehn Jahre: In diesem Fall haben Sie das Recht, nach Ablauf der zehn Jahre jederzeit kostenlos zu kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate. Hinweis: Die 10-Jahres-Frist beginnt ab dem Tag, an dem die Bank Ihnen das Darlehen vollständig ausgezahlt hat.

  • Im Kreditvertrag ist eine Möglichkeit zur vorzeitigen Rückzahlung vereinbart:
    Lesen Sie sich Ihren Kreditvertrag noch einmal aufmerksam durch, bevor Sie ihn kündigen. Finden Sie darin eine Klausel, die besagt, dass Ihre Bank Ihnen die Möglichkeit gewährt, das Darlehen vor Fälligkeit zurückzuzahlen? Dann müssen Sie keine Entschädigung zahlen.

  • Sie wollen den Bausparvertrag Ihrer Immobilie kündigen:
    Der Bausparvertrag tanzt ebenfalls aus der Reihe: Sie können diesen jederzeit ohne Fristeinhaltung und Vorfälligkeitsentschädigung kündigen.

  • Die Bank hat Sie nicht richtig informiert:
    Seit dem 21. März 2016 gilt das Gesetz, dass Banken ihren Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung verlieren, wenn sie ihre Kunden im Vertrag nicht ausreichend über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung informiert haben: „Der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist ausgeschlossen, wenn im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind“ (§ 502 Absatz 2 Nummer 2 Bürgerliches Gesetzbuch).

Übrigens: Laut Verbraucherzentrale streiten immer mehr Menschen mit ihrer Bank um die Vorfälligkeitsentschädigung vor Gericht – teilweise sogar vor dem Bundesgerichtshof (BGH). In den meisten Fällen geht es darum, dass die Kunden die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht nachvollziehen können.

Die Sache mit dem Widerruf

Gemäß § 355 Bundesgesetzbuches muss jeder Darlehensnehmer vor Inkrafttreten eines Vertrags eine gesetzliche Frist zum Widerruf eingeräumt bekommen, mittels der es ihm möglich ist vom geschlossenen Vertrag konsequenzfrei zurückzutreten. Für gewöhnlich ist das Widerrufsrecht auf 14 Tage festgelegt. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26.3.2020 müssen auch die Hinweise auf den Beginn der Widerrufsfrist, also die sogenannte Widerrufsbelehrung, für Verbraucher klar und verständlich sein. Ist das nicht der Fall, gelten Widerrufsbelehrung und Widerruf laut EuGH-Urteil als fehlerhaft. Und dann wird es spannend, denn sollte die Widerrufsbelehrung fehlerhaft sein, muss der Darlehensnehmer unter Umständen keine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen.

Kann ich eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückfordern?

Ja, das ist möglich. Damit sollten Sie jedoch einen Experten beauftragen. Einige Rechtsanwälte haben sich darauf spezialisiert, Kreditverträge anzufechten. Die größten Chancen haben Sie, wenn Sie Ihren Kreditvertrag zwischen 2002 und 2010 unterzeichnet haben. In diesem Zeitraum gab es zahlreiche Kreditverträge mit unwirksamen Klauseln. Diese Schwachstellen deckt ein Fachmann leicht auf. Er kann für Sie die komplette Summe der Vorfälligkeitsentschädigung bis zu drei Jahre rückwirkend zurückfordern.

Wie wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet?

Die Bank kann auf zwei Verfahren zurückgreifen, um Ihre Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen: Die Aktiv-Aktiv-Methode oder die Aktiv-Passiv-Methode.

  1. Aktiv-Aktiv-Methode
    Die Bank vergleicht die entgangenen Zinserträge mit denjenigen, die sie beim Abschluss eines neuen Darlehens bekommen würde. Da die Zinsen jedoch aktuell sehr niedrig sind, wenden nur wenige Banken diese Methode an. Sie würden dadurch Verluste machen.

  2. Aktiv-Passiv-Methode
    Bei dieser Methode geht die Bank davon aus, dass sie das Geld in Pfandbriefe oder Wertpapiere anlegen kann, um den Zinsverlust auszugleichen. Den dadurch zu erwartenden Gewinn stellt sie der Rendite gegenüber, die sie bei Fortführung Ihres Darlehens erwirtschaftet hätte. Aus der Differenz ergibt sich dann die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung.

Egal, mit welchem Verfahren Ihre Bank die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet: Sie muss dabei in jedem Fall alle Tilgungsmöglichkeiten – auch die Sondertilgungen – sowie die ersparten Risiko- und Verwaltungskosten berücksichtigen.

Verschiedene Beispiele nach der Aktiv-Passiv-Methode: 

Höhe der Restschuld

Sollzinssatz

monatliche Ratenhöhe

Ende der Sollzins-
bindung

Zinsschaden

Vorfälligkeits-
entschädigung

150.000 Euro

3 Prozent

1.500 Euro

in 4 Jahren

4.524,70 Euro

3.281,27 Euro

250.000 Euro

3 Prozent

1.500 Euro

in 4 Jahren

8.427,70 Euro

6.370,46 Euro

150.000 Euro

3 Prozent

1.500 Euro

in 8 Jahren

6.424,44 Euro

4.342,48 Euro

250.000 Euro

3 Prozent

1.500 Euro

in 8 Jahren

14.129,22 Euro

10.389,88 Euro

Sondertilgungsrechte werden bei der Berechnung berücksichtigt

Wenn Sie vor der Kündigung des Kreditvertrags Sondertilgungen geleistet haben, muss die Bank dies in der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigen. Der Grund: Dadurch, dass Sie bereits einen Teil der offenen Darlehenssumme getilgt bzw. zurückgezahlt haben, sinken der Betrag und die Höhe der Zinsen im Folgemonat. Deswegen muss die Bank bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung davon ausgehen, dass Sie Ihr Sondertilgungsrecht jedes Jahr in Anspruch nehmen – selbst, wenn Sie dies nicht getan hätten. Wenn die Bank die Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung jedoch nicht einbezogen hat, ist ein Widerspruch möglich.

Stimmt Ihre Vorfälligkeitsentschädigung? Überprüfen Sie selbst!

Kaum ist die Kündigung verschickt, flattert schon der Brief mit der Forderung der Bank ins Haus. Damit Sie am Ende nicht zu viel bezahlen, können Sie mit Hilfe eines Rechners Ihre Vorfälligkeitsentschädigung selbst im Internet kostenlos überprüfen. 

Nehmen Sie Ihren Kreditvertrag zur Hand und suchen Sie sich die wichtigsten Daten und Fakten heraus. Je nach Rechner müssen Sie mehr oder weniger Kennzahlen eingeben. Die häufigsten sind:

  • Die Höhe der Darlehenssumme

  • Der Vertragsbeginn

  • Die Auszahlung des Darlehens

  • Das Ende der Sollzinsbindung

  • Die Höhe der Restschuld zum aktuellen Zeitpunkt

  • Das Datum für diese Restschuldangabe

  • Der Sollzinssatz

  • Die derzeitige Ratenhöhe

  • Die Zahlung der Raten (monatlich oder vierteljährlich)

  • Der geplante Kündigungstermin

  • Die jährliche Sondertilgung

Einige Anbieter verlangen zusätzlich die Zahlen aus der Berechnung der Bank. Geben Sie die entsprechenden Daten ein und vergleichen Sie das Ergebnis mit der Höhe der Forderung. Sie können die Vorfälligkeitsentschädigung bis 2016 rückwirkend berechnen und Widerspruch einlegen, wenn diese zu hoch ausgefallen ist. Bitte beachten Sie: Zuverlässig sind diese kostenlosen Angebote nicht. Sie können Ihnen lediglich eine Orientierung bieten. Stimmt die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung? Dann erlischt der Kreditvertrag mit all seinen Verpflichtungen, sobald Sie diese entrichtet haben.