Better Life: Studie zeigt Risiken von Mikroplastik und Phthalaten in Sex-Spielzeugen
In Deutschland wird der Gebrauch von Sex-Spielzeug als überwiegend positiv wahrgenommen. Die Produkte können aus Silikon, Latex, oder aber auch aus Glas und Holz bestehen. Eine Studie hat nun gezeigt, dass von diversen Sex-Spielzeugen allerdings ein Gesundheits-Risiko ausgehen kann: So wurden Phthalate in den getesteten Sex-Toys gefunden und alle Produkte haben Mikroplastik freigesetzt.
Schon lange sind Sex-Spielzeuge kein Tabuthema mehr. Das Ergebnis einer repräsentativen Untersuchung der Technischen Universität Ilmenau zeigt die positive Einstellung zum Einsatz von Sex-Spielzeugen: 52 Prozent der heterosexuellen Frauen und Männer zwischen 18 und 69 Jahren nutzen Vibratoren, Dildos und Gleitmittel in der Partnerschaft.
Rund 72 Prozent der Frauen verwenden sie beim Solo-Sex – bei den Männern sind es 31 Prozent. Unter homo- oder bisexuellen Menschen scheinen Sex-Toys noch verbreiteter zu sein. Worüber selten gesprochen wird, sind die Risiken, die bei dem Gebrauch der Spielzeuge bestehen.
Und hier ist nicht die Rede von völlig kuriosen Unfällen, bei der Vibratoren aus irgendwelchen Körperöffnungen entfernt werden müssen – die Fälle die es dann zu "Grey’s Anatomy" schaffen, weil sie so absurd sind.
Studie: So viele bedenkliche Inhaltsstoffe stecken in Plastik
Nein, es geht um Risiken, die bei Sex-Spielzeugen, die nicht aus Holz oder Glas sind, entstehen können. Eine Studie, die im März im Fachmagazin Microplastics and Nanoplastics veröffentlicht wurde, hat ergeben, dass Mikroplastik und Phthalate in den sexy Wellness-Produkten enthalten sein können.
Mikroplastik: 977 Tonnen Mikroplastik jährlich im Abwasser
Den Begriff "Mikroplastik" haben sicherlich die meisten schon gehört. Es handelt sich dabei um feste und unlösliche Polymere (Kunststoffe), die kleiner als 5 Millimeter sind. Es gibt zwei Sorten von Mikroplastik: Primäres und sekundäres Mikroplastik. Zum primären Mikroplastik gehören laut Umweltbundesamt "Basispellets, die das Grundmaterial für die Plastikproduktion darstellen".
Zu finden sind diese unter anderem in Hygiene- und Reinigungsprodukten. Sekundäres Mikroplastik entsteht durch den Zerfall und der Verwitterung größerer Plastikteile (Makroplastik) in der Umwelt. So beispielsweise beim Abbau von Plastikflaschen oder durch den Abrieb von Autoreifen.
Die Ergebnisse einer Studie des Fraunhofer-Institut für Umwelt-,Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT im Auftrag des Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) zeigen: Jährlich geraten 977 Tonnen Mikroplastik und 46.900 Tonnen gelöste Polymere ins Abwasser.
Die Kläranlagen können die Inhaltsstoffe nicht vollständig abfangen, sodass Mikroplastik trotz der Abwasserreinigung in die Gewässer gelangt. Auch im Blut von Menschen kann Mikroplastik nachgewiesen werden: Eine Studie hat gezeigt, dass 17 von 22 Teilnehmenden Plastik im Blut hatten.
Im Schnitt haben die Forschenden bei anonymen Blutspender*innen 1,6 Mikrogramm pro Milliliter an Plastikpartikeln gefunden. Das ist so viel wie ein Teelöffel Plastik in 1000 Litern Wasser.
Aber auch im Darm lassen sich Plastikpartikel finden: Pro Kopf und Woche landen laut einer Übersichtsstudie der MedUni Wien 5 Gramm Plastik im menschlichen Magen- und Darmtrakt. Experimente an Mäusen haben gezeigt: Mikroplastik im Organismus kann Entzündungsreaktionen auslösen.
Gefordert wird deshalb mehr Transparenz über schwer abbaubare Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten, sowie Wasch- und Putzmitteln. Denn Verbraucher*innen erwarten bei den Produkten, die sie kaufen, dass sie sicher sind. So auch beim Sex-Spielzeug.
Ergebnisse der Studie: Analspielzeug setzt das meiste Mikroplastik frei
Eine Klasse von Konsumgütern, bei der die Risiken nur unzureichend verstanden, kommuniziert und gehandhabt werden, sind Sex-Spielzeuge. Obwohl gerade hier ja besondere Vorsicht geboten sein müsste, denn die Toys kommen schließlich mit den intimsten und durchlässigsten Körperteilen in Kontakt.
Studien können dazu beitragen, die Risiken zu verstehen und eine Sichtbarkeit und Priorität dieser Produkte für Risikomanagementmaßnahmen durch Hersteller und Regulierungsbehörden zu erhöhen.
Sex-Mythen: Diese 5 Dinge sind einfach nicht wahr
Sex-Spielzeug ist eine übersehene Quelle für Mikroplastik und Phthalate. Phthalate werden vor allem als Weichmacher für Kunststoffe verwendet. Untersucht wurden bei der Studie vier verschiedene Spielzeugmodelle: ein Doppelvibrator, ein Außenvibrator, Analperlen und ein Analspielzeug. Die Erklärung, um was es sich dabei genau handelt, darf jede*jeder selbst nachschauen.
Die Produkte wurden in dreifacher Ausfertigung zu unterschiedlichen Zeitpunkten erworben, um die Variabilität der Proben und Chargen zu berücksichtigen. Mithilfe einer Abrieb-Maschine untersuchten die Forschenden das Potential der Produkte für Nano- und Mikroplastik.
Das jeweilige Spielzeug sollte auf ein Schleifmittel gepresst werden, das sich in einem geschlossenen Raum drehte. So konnte das Mikroplastik für die Analyse gesammelt werden. Das meiste Mikroplastik hat das Analspielzeug freigesetzt, gefolgt von den Analperlen und dem Doppelvibrator. Auf dem in diesem Fall erstrebenswerten letzten Platz sollte der Außenvibrator landen.
Phthalate: Auch in Kinderspielzeug enthalten – hier aber unter stärkerer Beobachtung
Die Mikropartikel wurden im Anschluss per Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung analysiert. In weniger kompliziert: Das ist ein Verfahren, mit dem organische Verbindungen identifiziert werden können.
Auf diese Weise konnte festgestellt werden, dass zahlreiche Phthalate in allen vier Spielzeugen enthalten sind. Hier schafft es dieses Mal der Außenvibrator auf Platz 1. Er enthält sieben Phthalate – allerdings in geringer Konzentration. Sowohl der Doppelvibrator, als auch die Analkugeln enthielten Di-n-octylphthalat (DNOP), einen Weichmacher. Die Konzentration dieses Weichmachers war dabei so hoch, dass er in den USA über dem zulässigen Gewichtsprozentsatz der US Consumer Product Safety Commission (CPSC) für Kinderspielzeug liegt.
Jetzt kann man sich völlig zurecht fragen, was jetzt das Kinderspielzeug hier plötzlich macht. Aber in Kinderspielzeug wird der Gebrauch von Phthalaten begrenzt – in USA auf höchstens 0,1 Prozent der Masse des weichgemachten Materials.
Alle vier Sex-Spielzeuge sollten Phthalate mit einer Konzentration enthalten, die entweder über dem CPSC-Grenzwert für DNOP in den USA lagen oder gemäß REACH (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe) in Europa von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) verboten wurden.
DNOP ist in der EU in Spielzeug und Babyartikeln, die von Kindern in den Mund genommen werden können, nicht zulässig. Eine Studie aus dem Jahr 2021 hat festgestellt, dass Phthalate das Hormonsystem schädigen können.
Fazit: Strengere Regulierung der Sex-Spielzeug-Industrie nötig
Sex-Spielzeug kann in Mikroplastik zerfallen und Phthalate enthalten, die mit gesundheitlichen Risiken in Verbindung gebracht werden. Um entscheiden zu können, ob das Risikoszenario eines Kleinkindes, das Plastikspielzeug in den Mund nimmt, vergleichbar ist mit Sex-Spielzeug, das die gleiche Materialzusammensetzung hat und mit den Schleimhäuten von Erwachsenen in Kontakt kommt, bedarf es weiterer Studien.
Einige Produkte, die in der Studie untersucht wurden, wurden als "phthalatfrei" beworben, obwohl chemische Analysen gezeigt haben, dass das nicht der Fall war. Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer strengeren Regulierung der Sex-Spielzeug-Industrie.
Die Studie verdeutlicht die Notwendigkeit von repräsentativen und umfassenden Untersuchungen der Anteile von Mikroplastik- und Chemikalien in Sex-Spielzeugen. Ein Bewusstsein für die Risiken kann dazu beitragen, Gespräche ins Rollen zu bringen und so Studien zum Schutz der Verbraucher*innen anzuregen.
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