Experten()Wissen: So gefährlich ist Schuppenflechte
Dermatologe Dr. Uwe Schwichtenberg im exklusiven Interview
Du hast trockene, schuppige Haut und Rötungen überall auf dem Körper, die auch nach einer längeren Zeit nicht vergehen? Dann solltest du unbedingt einen Arzt aufsuchen. Denn es handelt sich vielleicht um Schuppenflechte – und die sollte behandelt werden, warnt ein Dermatologe.
Wer Schuppenflechte hat, weiß es vielleicht noch nicht mal. Es sind doch nur ein paar schuppige Stellen auf der Haut und ein paar rote Flecken. Die gehen schon von alleine weg – denken einige vielleicht. So einfach ist es leider nicht. Denn wie Dr. Uwe Schwichtenberg vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen e.V. (BVDD) im Interview mit Yahoo Life erklärt, kann Schuppenflechte - mit einer Vielzahl weiterer Erkrankungen verbunden sein, die letztendlich sogar lebensbedrohlich sein können.
Laut einem Gesundheitsbericht der WHO vom Jahr 2016 ist Schuppenflechte ein ernstes globales Problem mit einem unvorhersagbaren Krankheitsverlauf. Etwa 100 Millionen Menschen leiden darunter. Und die Dunkelziffer ist vermutlich noch größer, weiß der Experte: "Ich bin mir sicher, dass da draußen der ein oder andere herumläuft, der sich nicht bewusst ist, dass er Schuppenflechte hat.“ Wir verraten dir, warum das der Fall ist, was hinter der Hautkrankheit steckt und was du gegen Schuppenflechte tun kannst.
Yahoo Life: Was ist Schuppenflechte oder auch Psoriasis?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Psoriasis ist eine angeborene, entzündliche Hautkrankheit, die sich irgendwann im Laufe des Lebens manifestiert. Ein häufiges Alter, in dem die Schuppenflechte anfängt, ist um die 20 oder um die 70 herum. Sie kann aber auch irgendwann zwischendrin auftreten. Schuppenflechte ist nicht zu verwechseln mit Infektionskrankheiten wie Masern, Mumps oder Röteln. Es handelt sich um eine Entzündung. Das heißt, dass der Körper selbst eine Abwehrreaktion auslöst, die er sich im Grunde genommen sparen könnte. Denn dann hätte der Patient viel weniger Probleme. Diese Entzündungsreaktion wird über unterschiedliche Entzündungsvermittlungssubstanzen vermittelt, und das ist dann auch das, wo nachher die Therapie eingreift.
Yahoo Life: Welche Arten von Schuppenflechte gibt es?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Es gibt die klassische Plaque-Psoriasis. Das ist das gängigste Bild der Schuppenflechte. Dabei sind überwiegend die Ellbogen- oder die Kniestreckseiten betroffen. Außerdem bilden sich große Flecken überall am Körper, die von einer dicken Schuppung übersät sind. Dann gibt es Sondervarianten der Schuppenflechte, bei denen die Nägel betroffen sind – zusätzlich oder alleine. Es kann auch die Kopfhaut betroffen sein – zusätzlich oder alleine. In einigen Fällen sind auch der Genitalbereich und die Hautfalten betroffen. Das nennt sich Psoriasis inversa. Es handelt sich um eine verkehrte Form der Schuppenflechte, weil sie nicht an der Außenseite, sondern an der Innenseite auftritt, wo die Haut auf Haut liegt.
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Es gibt Schuppenflechte mit ganz vielen kleinen Flecken. Die manifestiert sich gerne begleitend bei Infektionskrankheiten. Und ganz wichtig, weil sie die Gelenke zerstören und dauerhaften Schaden anrichten kann: die Psoriasis-Arthritis, die Gelenkbeteiligung der Schuppenflechte. Der Dermatologe sollte unbedingt abklären, ob der Patient zusätzlich zur Schuppenflechte entzündliche Gelenkschmerzen hat, um sie frühzeitig behandeln zu können.
Yahoo Life: Wie wirkt sich die Schuppenflechte auf den Körper aus und was kann sie im schlimmsten Fall anrichten?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Lange Zeit haben wir geglaubt, dass es sich einfach nur um Flecken auf der Haut handelt. Irgendwann hat man erkannt, dass es auch andere Komorbiditäten der Schuppenflechte gibt, dass sie entzündlich ist und noch viel mehr mit dem menschlichen Körper macht.
Ein Patient mit Schuppenflechte hat ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck, eine Leberzellverfettung, Zuckerkrankheit, oder auch im schlimmsten Fall für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt. Das bedeutet in der Summe: Es geht nicht nur um seine Haut, er hat auch internistische Begleiterkrankungen dieser Schuppenflechte und damit ein erhöhtes Risiko, diese Komorbiditäten zu bekommen, die letztendlich lebensbedrohlich verlaufen können.
Yahoo Life: Was ist die Ursache für Schuppenflechte?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Der genetische Code ist die Ursache für Schuppenflechte. Das ist so ähnlich wie mit blonden oder schwarzen Haaren, dieser Mensch hat die Schuppenflechte einfach.
Yahoo Life: Schuppenflechte ist also nicht heilbar?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Es ist eine Clubmitgliedschaft, die Sie nicht kündigen können. Doch es gibt Faktoren, die Schuppenflechte beeinflussen und dazu beitragen, wie stark sie ausgeprägt ist. Man muss sich fragen: Wie manifestiert sich das Ganze? Und wie aktiv sind Sie als Clubmitglied – denn all das können Sie ändern. Aber Sie können nicht dafür sorgen, dass Sie nicht mehr zum Club gehören. Doch: Schuppenflechte ist zwar nicht heilbar, aber sie ist hervorragend behandelbar.
Welche Faktoren beeinflussen die Schuppenflechte?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Da gibt es die unterschiedlichsten Faktoren. Es gibt Medikamente, die eine Schuppenflechte triggern können. Dazu gehören zum Beispiel Betablocker. Es können auch Infekte sein, die eine Schuppenflechte auslösen, zum Beispiel eine Mandelentzündung.
Yahoo Life: Kann man mit Ernährung etwas bewirken?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Wenn man ein übergewichtiger Mensch ist, lässt sich die Schuppenflechte mit der Normalisierung des Gewichts maßgeblich positiv beeinflussen. Das ist untersucht und das wissen wir. Was nicht der Fall ist, ist, dass wir in Zukunft nur noch auf Milch verzichten brauchen und dann ist alles happy und jolly. Es gibt kein einzelnes Nahrungsmittel, das verantwortlich ist, das wir einfach weglassen müssen.
Yahoo Life: Was gibt es bei der Behandlung zu beachten?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Die genetische Prädisposition ist zwar schuld an der Schuppenflechte, doch es gibt viele Faktoren, die die Schuppenflechte beeinflussen. Wenn jemand alkoholkrank ist, triggert das die Schuppenflechte zusätzlich und macht sie noch schwieriger zu behandeln. Dann gibt es ganz viele Einzelaspekte wie Übergewicht. Das Übergewicht ist zwar nicht schuld an der Hauterkrankung, aber es hat Einfluss auf sie und macht sie schwieriger behandelbar.
Yahoo Life: Ihre wichtigste Botschaft an Betroffene?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Man kann Schuppenflechte heutzutage so gut behandeln, das (fast) nichts davon übrigbleibt. Man sollte sie unbedingt behandeln – allein schon der potenziellen Gelenkbeteiligung wegen. Ob die Patienten hinsichtlich der ganzen Komorbiditäten auch davon profitieren, das ist im Moment noch in der Diskussion. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass man mit entsprechender Therapie auch ihnen entsprechend vorbeugt.
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Allen voran gilt aber: Der Patient sollte wissen, dass er Schuppenflechte hat. Er sollte wissen, welche Medikamente er nicht nehmen sollte, weil sie eine Schuppenflechte triggern können. Er sollte wissen, dass Übergewicht bei Schuppenflechte keine gute Idee ist. Das wäre also ein Argument mehr, um dagegen vorzugehen.
Yahoo Life: Bei welchen Symptomen sollte ich unbedingt den Arzt/Dermatologen aufsuchen?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Langanhaltende Flecken mit Schuppung gehören abgeklärt. Das kann eine Schuppenflechte oder eine Pilzerkrankung sein. Sowas sollte man nicht ignorieren.
Yahoo Life: Gibt es weitere Symptome, die zu einer frühzeitigen Diagnose führen?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Juckreiz ist ein wesentliches Symptom der Schuppenflechte. Das hat man früher nicht gewusst, weil die Patienten das nie so sehr geschildert haben. Sie haben sich so wie die Ärzte nur auf den Hautbefund fokussiert.
Yahoo Life: Gibt es Cremes, die helfen?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Eine Schuppenflechtehaut sollte natürlich auch gepflegt werden. Das regelmäßige Anwenden einer Creme ist eine sinnvolle Aktion, wird aber eine richtige Schuppenflechte nicht beeindrucken. Davon geht sie nicht weg.
Yahoo Life: Welche Therapie hilft bei Schuppenflechte?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Grundsätzlich könnten Sie eine Schuppenflechte einfach dadurch behandeln, dass das Immunsystem das Abwehrsystem vollständig plattmacht, dann ist die Schuppenflechte auch vorbei. Das ist nur dahingehend schwierig, dass der Mensch das Abwehrsystem für andere Zwecke braucht. Deshalb geht das nicht. Darum greifen alle intelligenten, modernen Therapien dahingehend ein, dass sie an irgendeiner Stelle einen Teil des Abwehrsystems unterbinden, und zwar den, der die Schuppenflechte triggert und alles andere möglichst in Ruhe lässt.
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Wenn es ein schwacher Befund ist, gibt es a) Behandlungscremes, die typischerweise Cortison enthalten, oder b) Vitamin-D3-Analoga. Das sind klassische Lokalbehandlungen, die aber nur bei einigen kleinen Flecken helfen. Eine mittelschwere bis schwere Schuppenflechte bedarf auf jeden Fall einer sogenannten Systemtherapie. Das bedeutet, dass die Patienten entweder Tabletten bekommen oder Medikamente, die gespritzt werden – manche sogar nur alle drei Monate. Da wird das Gesamtsystem Mensch behandelt.
Yahoo Life: Wie gut sind die Behandlungschancen?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Es gibt heutzutage spitzenmäßige Medikamente, die hervorragendste Therapieergebnisse erzielen können. Wir messen Schuppenflechte mit einem sogenannten Pasi-Score. Das heißt, wir gucken, wie viel Fläche betroffen ist, wie stark das Rot oder die Schuppung ist. Dann hat der Patient einen Zahlenwert, der die Stärke seiner Schuppenflechte wiedergibt. Ab 10 gilt er als mittelschwer und ab über 25 als schwer. Und wenn wir heutzutage Menschen behandeln, dann zielen wir auf einen Pasi 90 oder 100 ab. Das heißt hinterher ist das Ganze um 90 Prozent gebessert. Im Idealfall sogar um 100 Prozent. Sprich: Es ist wirklich nichts mehr von der Schuppenflechte über.
Unser Experte: Dr. Uwe Schwichtenberg
Dr. Uwe Schwichtenberg ist Vorstandsmitglied des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen e.V. (BVDD) und Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des BVDD. Er ist Vorsitzender des Landesverbandes der Bremer Dermatologen, Leitender Arzt der DERMA NORD Hautarztpraxen sowie Mediendermatologe mit regelmäßigen Auftritten und in Funk und Fernsehen. Darüber hinaus ist Dr. Schwichtenberg als Referent auf zahlreichen Fachkongressen im In- und Ausland sowie als Autor für Laien- und Fachzeitschriften tätig.
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