Mann mit verstörender Krankheit: Jeder sieht für ihn aus wie ein Dämon

Was ist Prosopometamorphopsie?

Was, wenn alle Menschen um einen herum einem wie Dämonen erscheinen? Dahinter steckt Prosopometamorphopsie (Symbolbild: Getty Images)
Was, wenn alle Menschen um einen herum einem wie Dämonen erscheinen? Dahinter steckt Prosopometamorphopsie. (Symbolbild: Getty Images)

Die Gesichtserkennung ist eine angeborene, tief in unserem Gehirn verankerte Fähigkeit. Wie eine britische Studie im Jahr 2017 feststellte, interessieren sich Babys bereits im Mutterleib für durch Lichtpunkte dargestellte Umrisse, die Gesichtern ähneln. Damit besitzen bereits Neugeborene die - zumindest aus evolutionärer Sicht - lebenswichtige Fähigkeit, Freund von Feind unterscheiden zu können.

Umso außergewöhnlicher ist es, wenn die Gesichtserkennung gestört ist. So können Menschen mit sogenannter Prosopagnosie – auch Gesichtsblindheit genannt – andere Gesichter nicht wiedererkennen, was jeden Menschen im ersten Moment zu einem Fremden macht. Für Victor Sharrah hingegen ist jeder Mensch, dem er begegnet, ein Dämon: Er leidet unter der extrem seltenen Erkrankung Prosopometamorphopsie.

Was ist Prosopometamorphopsie?

"Stell dir vor, du wachst eines Morgens auf und jeder Mensch auf der Welt sieht plötzlich aus, als sei er eine Kreatur in einem Horrorfilm." So beschreibt der 59-jährige Sharrah im Gespräch mit CNN seine Wahrnehmungsstörung, die vor drei Jahren sehr plötzlich begann: Eines Tages starrte ihm von seinem Mitbewohner anstatt eines vertrauten Gesichts eine verzerrte Fratze entgegen, ebenso von dessen Freundin. Bei beiden waren die Augen langgezogen, der Mund zu einer breiten Grimasse gezogen, die Haut von tiefen Furchen übersäht und die Ohren grotesk zugespitzt. "Es war, als würde man einem Dämon ins Gesicht blicken."

Als er nach draußen ging, stellte er fest, dass alle Gesichter so aussahen - und seitdem hat sich das nicht geändert. Andere Körperteile oder auch Gegenstände sehen für ihn weiterhin normal aus, wie es bei Prosopometamorphopsie üblich ist. Dabei handelt es sich um eine extrem seltene neurologische Störung, von der aktuell nur etwa 81 Menschen weltweit bekannt sind. Die Dunkelziffer könnte sich allerdings auf mehr belaufen, da die Störung häufig als Schizophrenie oder andere psychische Erkrankung fehldiagnostiziert wird.

Aufgrund der geringen Zahlen und dadurch mangelnden Forschungsergebnisse ist die genaue Ursache von Prosopometamorphopsie noch unklar. Oft werden als Auslöser Faktoren wie Kopftraumata, Hirninfarkte, Epilepsie oder Migräne ins Spiel gebracht.

Betroffene nehmen Gesichter auf unterschiedliche Weise entstellt wahr. Experten berichten CNN von Fällen, bei denen Gesichter wie durch einen Zerrspiegel verformt sehen oder vergleichbar mit den "geschmolzenen Uhren in einem Dali-Gemälde". Andere sahen Teile des Gesichts an der falschen Stelle, die Augen aus ihren Höhlen gesprungen oder das gesamte Gesicht als groteske Form eines Drachen, Fischs oder - wie bei Sharrah - eines Dämons.

Bei vielen Menschen ist die Störung nur vorübergehend und verschwindet nach wenigen Tagen oder Wochen wieder. Andere leiden jahrelang darunter.

So sehen Gesichter für einen Prosopometamorphopsie-Betroffenen aus (Bild: A. Mello et al.)
So sehen Gesichter für einen Prosopometamorphopsie-Betroffenen aus. (Bild: A. Mello et al.)

Wie sieht Prosopometamorphopsie für Betroffene aus? Das konnte ein Neurologe nun darstellen

Bei Sharrah hält sie nun schon seit drei Jahren an. Sein behandelnder Neurologe, Antônio Mello vom Dartmouth College, konnte aufgrund einer Besonderheit bei Sharrahs Prosopometamorphopsie mithilfe seines Patienten eine Darstellung davon fertigen, wie Betroffene Gesichter wahrnehmen. Sharrah nimmt nämlich nur echte, bewegte Gesichter als dämonenartige Grimassen dar, nicht aber als Bilder oder Fotos dargestellte Gesichter. Mithilfe seiner Beschreibungen und einer Bildbearbeitungssoftware konnten Mello und sein Team dessen Wahrnehmung rekonstruieren.

Sharrah betont jedoch, dass diese Bilder nur einen kleinen Eindruck dessen geben könnten, was er durchmacht. "Was ein Bild einem nicht rüberbringt ist, dass das verzerrte Gesicht sich bewegt, Emotionen ausdrückt, mit einem redet", erklärt er CNN. "Es distanziert einen von anderen Menschen ein wenig. Es hilft, zu wissen, was dahinter steckt, es ist eben Prosopometamorphopsie. Aber ich stehe Menschen nicht mehr so nahe wie früher."

Als Auslöser stellte Mello eine Reihe an möglichen Faktoren fest: Sharrah leidet an einer bipolaren Störung und seit eines Bombenangriffs, den er in den 1980ern in Beirut erlebte, an einer posttraumatischer Belastungsstörung. Zudem gab es in seiner jüngeren Vergangenheit eine Kopfverletzung sowie wenige Monate vor dem erstmaligen Auftreten der Störung eine Kohlenmonoxidvergiftung. Auch bei Sharrah bleibt die konkrete Ursache aber letztendlich unklar.

Ebenso wenig steht fest, ob und wann er die Prosopometamorphopsie endgültig überwinden kann. Morris experimentiert derzeit mit unterschiedlich gefärbten Lichtimpulsen, was erste Erfolge zeigt. Als Sharrah seine Enkeltöchter zum ersten Mal treffen sollte, trug er eine speziell angefertigte Brille - und die Mädchen sahen normal aus.