Over-Ear, In-Ear: So begünstigen Kopfhörer Entzündungen im Ohr - das sagt ein Experte
HNO-Arzt Dr. Bernhard Junge-Hülsing im exklusiven Interview
Bei der Arbeit wie im Privaten gehören Kopfhörer inzwischen für viele Menschen zum Alltag, den sie enorm erleichtern und verschönern können. Fest steht, dass mit der aktuellen Lieblingsmusik auf den Ohren einfach alles leichter werden kann – die anstrengende Joggingtour, die langweilige Bahnfahrt und natürlich die Laune, wenn es mal nicht so gut gelaufen ist wie erwartet.
Doch gerade bei den so praktischen wie beliebten In-Ear-Kopfhörern kann es unter bestimmten Voraussetzungen zu verschiedenen gesundheitlichen Problemen kommen, die dann auch ärztlich behandelt werden müssen. Welche das sind und worauf man auf jeden Fall achten sollte, erklärt der HNO-Arzt Dr. Bernhard Junge-Hülsing gegenüber Yahoo Life.
Was ist das Problem mit den In-Ear-Kopfhörern?
Dr. Bernhard Junge-Hülsing: Zunächst sind sie extrem praktisch. Man kann damit joggen, reisen und arbeiten, das ist alles ganz schön. Probleme können zum einen dadurch entstehen, dass man sie tief in den Gehörgang drückt und damit oberflächliche Verletzungen des Gehörgangs verursacht, aus denen eine Außenohrentzündung entstehen kann. Oder das Ohr wird verstopft, weil das Ohrenschmalz hineingedrückt wird.
Woran kann man das jeweils merken?
Wenn man auf dem einen Ohr nichts mehr hört, ist meistens nicht der Kopfhörer kaputt, sondern das Ohr oder der Kopfhörer verstopft. Oder man merkt es, weil das Ohr beim Einsetzen der Kopfhörer wehtut. Man sollte ihn dann nicht gegen Druck trotzdem einsetzen, weil das zeigt, dass die Gehörgangshaut geschwollen ist als erste Vorstufe einer beginnenden Entzündung.
Würde eine solche von alleine wieder abheilen?
Manchmal ja. Manchmal muss man aber auch durch einen HNO-Arzt einen Alkoholstreifen ins Ohr einsetzen lassen oder antibiotische Ohrentropfen benutzen. Wenn man den Kopfhörer entfernt und immer noch nicht gut hört, oder außen aufs Ohr drückt und es tut wirklich weh, sollte man auf jeden Fall zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt gehen.
Neben den bakteriellen Ohrentzündungen können In-Ear-Kopfhörer auch zu Pilzinfektionen führen. Wie kommt es dazu?
Wenn man das Ohr die ganze Zeit verschlossen hält, wird es ein dunkler, warmer, feuchter Hohlraum, in dem sich auch gerne Pilze ansammeln. Das ist so, wie wenn Sie eine Trinkflasche feucht in den Keller stellen und nie reinigen, die verpilzt genauso.
Woher weiß man, dass man eine Pilzinfektion hat?
Eine Pilzinfektion riecht man und sieht sie auch an grünen oder schwarzen Punkten und Pilzhärchen. Das sieht einfach aus wie ein Schimmelpilz, da ist zwischen einem Brot und einem Ohr kein großer Unterschied.
Hat das auch etwas mit der Dauer des Kopfhörertragens zu tun?
Es hat sicher etwas mit der Veranlagung und auch mit der Dauer zu tun. Auch damit, wie gut die Selbstreinigungsmechanismen des einzelnen Menschen sind. Manche müssen sich nie die Ohren beim Arzt putzen lassen und andere gehen alle drei Monate dorthin. Man sollte aber sicher nicht den ganzen Tag mit In-Ears herumlaufen und auch regelmäßig Lärmpausen einrichten. Bei den In-Ears sitzt der Lausprecher ja nur eineinhalb bis zwei Zentimeter vor dem Trommelfell, während es bei Kapselkopfhörern viereinhalb bis fünf Zentimeter sind. Dadurch ist der Schall intensiver. Das kann zu Hörstörungen, -schäden oder Tinnitus führen.
Wie kann man denn am besten vorbeugen?
Die Kopfhörer sollten ab und zu gereinigt werden, indem man sie am besten mit sterilem Wasser, zum Beispiel Bügelwasser, feucht abwischt. Wenn es einen Widerstand beim Einsetzen gibt oder die In-Ears beim Herausholen dreckig sind, sollte man auf jeden Fall zum Ohrenputzen gehen. Und man sollte regelmäßig Luft an die Ohren lassen. Das heißt, mindestens alle zwei Stunden mal für zehn Minuten draußen lassen. Für den Gehörgang sind Atempausen grundsätzlich genauso zu empfehlen wie Lärmpausen.
Wie sieht es aus, wenn man den Kopfhörer zum Beispiel mit seinem Partner tauscht?
Der Gehörgang ist ein abgeschlossener Raum, der mit Haut bedeckt ist. Das ist nicht wie im Mund und beim Zahnbürstentauschen. Wenn beide saubere, nicht entzündete Ohren haben und dann einmal den Kopfhörer tauschen oder sich zusammen im Flugzeug einen Film ansehen, ist dagegen nichts einzuwenden.
Worauf sollte man generell achten?
Bei Kopfhörern gibt es ja alles mögliche. Wenn die harten nicht passen, gibt es auch ganz weiche Ohrpassstücke. Man sollte einfach nichts gegen Widerstand machen.
Was ist mit Over-Ear-Kopfhörern?
Was die Infektionsgefahr angeht, haben Kapselkopfhörer ganz klar Vorteile gegenüber In-Ear-Plugs. Sie sind auch grundsätzlich besser, weil sie eben nicht direkt aufs Ohr drücken, ein bisschen mehr Außenschall zulassen und der Lautsprecher auch weiter vom Trommelfell entfernt ist.
Unser Experte: Dr. Bernhard Junge-Hülsing
Dr. Bernhard Junge-Hülsing ist seit 22 Jahren in eigener Gemeinschaftspraxis als HNO-Arzt in Starnberg niedergelassen. Er hat vier Kinder, von denen drei Medizin studieren. Er ist Landesvorsitzender des Berufsverbandes HNO in Bayern und Mitglied der Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Landesärztekammer Bayern.
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