Woran erkenne ich eigentlich, dass ich mich selbst toxisch verhalte? Ein Red-Flag-Check
Narzisst*innen, toxische Typen und Red Flags: Überall ist nur noch die Rede von anderen Menschen, die sich schlecht verhalten. Gerade im Dating-Kontext liegen Anschuldigungen mittlerweile so locker auf der Zunge wie klassische Begrüßungsfloskeln. Auch wenn da in Teilen bestimmt was dran sein mag, sollten wir uns gleichzeitig mal fragen, ob wir (damit) nicht vielleicht selbst toxisches Verhalten an den Tag legen. Deshalb haben wir einen kleinen Red-Flag-Check vorbereitet, der hilft, unsere Handlungen im Dating- und Beziehungskontext künftig besser zu reflektieren. Niemand sollte sich schlecht behandeln lassen, eh klar. Aber wir selbst sollten das auch nicht tun.
Die Sache mit den Red Flags
Der Begriff der Red Flags hat sich mittlerweile so sehr eingebürgert, dass man Dating- und Beziehungsmuster kaum besprechen kann, ohne zumindest einmal von toxischem Verhalten zu sprechen. Red Flags sind bestimmte Charaktereigenschaften oder Verhaltensmuster, mit denen man persönlich nicht leben kann oder will. Man könnte auch von No-Gos sprechen, die andere Menschen als Partner*innen disqualifizieren. Ursprünglich waren Red Flags dafür da, um ungesundes oder manipulatives Verhalten zu betiteln. Mittlerweile kann der falsche Job, das falsche Outfit oder die falsche Frisur schon eine Red Flag sein, wenn man denn so oberflächlich sein möchte. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff des "toxischen Verhaltens" – auch der ist mittlerweile zum Standardrepertoire in der Charakterisierung anderer Menschen geworden, um uncooles Verhalten zu beschreiben. Man sollte nur aufpassen, dabei nicht in Therapy Speak abzudriften: In der Psychologie ist toxisches Verhalten ganz klar als schädlicher Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen definiert. Nur weil einem bestimmte Charaktereigenschaften nicht gefallen, müssen sie noch nicht gleich toxisch sein.
Warum wir trotzdem froh sind über den Begriff "Red Flags"
Wenn Sie durch unsere Artikel lesen, stoßen Sie häufig auf die Begriffe "Red Flag" oder "toxisches Verhalten". Wir wollen uns aus dieser ganzen Entwicklung auch nicht rausnehmen und sind sogar froh darüber, dass ungesundes, manipulatives und schädliches Verhalten mittlerweile klar benannt wird. Es ist höchste Eisenbahn, dass Menschen, die sich jahrelang haben unterdrücken lassen, endlich zu ihren Bedürfnissen stehen und sich den Raum nehmen, den sie verdienen. Toxische Verhaltensmuster müssen erkannt und benannt werden, um sie zu brechen – und wenn man mit bestimmten Red Flags an anderen Menschen nicht leben möchte, dann ist diese Erkenntnis gut und völlig legitim. Solange man niemanden mit seiner Einschätzung verletzt, bewegt man sich im grünen Bereich. Zumindest was die Bewertung anderer angeht. Häufig vergisst man dabei allerdings, auch vor der eigenen Tür zu kehren. Und wenn man schon fleißig dabei ist, toxisches Verhalten und Red Flags bei anderen Menschen zu kritisieren, sollte man zumindest mal reflektieren, ob man sich selbst immer korrekt verhält. Im Austeilen sind wir alle gut, keine Frage. Aber im Einstecken und Eingestehen? Da ist bei vielen noch Luft nach oben.
Der Red-Flag-Check: Woran erkenne ich toxisches Verhalten bei mir selbst?
Man ist immer schnell dabei, andere Menschen und ihr Verhalten zu beurteilen. Wenn man toxische Verhaltensweisen an anderen kritisiert, die man selbst nicht auf die Kette bekommt, zeugt das von einer gewissen Doppelmoral – und man wird schnell selbst zu einer Red Flag. Eine gesunde und realistische Selbsteinschätzung, die Reflexion des eigenen Verhaltens und eine kritische Auseinandersetzung damit sind hingegen klare Green Flags. Schauen wir lieber also erst mal, ob wir uns gegenüber anderen immer so okay verhalten. Das blendet man im Dating- und Beziehungskontext nämlich gerne mal aus. Unser Red-Flag-Check:
1. Verhalte ich mich respektvoll und auf Augenhöhe?
Völlig klar, dass wir uns anderen Menschen gegenüber respektvoll und auf Augenhöhe verhalten sollen. Man muss nicht immer ein Lächeln auf den Lippen tragen, manchmal hat man auch einen schlechten Tag, aber das ist noch lange kein Freifahrtschein, den anderen Mist an anderen auszulassen. Wenn Sie merken, dass Ihr Umgangston nicht immer freundlich, vielleicht sogar herablassend ist, könnte das auf toxische Verhaltensmuster hinweisen. Machtgefälle in Beziehungen sind ein No-Go und auch beim Dating total unangebracht. Fragen Sie sich, ob Sie wollen würden, dass man so mit Ihnen spricht.
2. Bin ich immer ehrlich?
Auch wenn es manchmal unangenehm ist, kommt man um Ehrlichkeit nicht herum, wenn man sich gut verhalten will. Sich auf Tinder anzulügen, ständig Geheimnisse in der Beziehung zu haben und es auch sonst nicht so ernst mit der Aufrichtigkeit nehmen, ist eine Red Flag. Also mal lieber genau checken, ob Ihre Worte auch wirklich wahr sind, bevor Sie sie aussprechen.
3. Manipuliere ich?
Manipulation klingt immer so strategisch und geplant. Dabei gibt es auch Momente, in denen man gar nicht merkt, dass man manipuliert. Beim Gaslighting zum Beispiel. Sätze wie "du übertreibst" oder "du bildest dir das nur ein" sind einfach nicht cool, wenn die andere Person anfängt, an ihrer Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln, gehen aber trotzdem schnell über die Lippen. Machen Sie manche Dinge bewusst, um Ihren Willen durchzusetzen? Tun Sie Gefallen nur, um dafür etwas zu bekommen? All das könnte auf Manipulationsgedanken hindeuten, bei der Sie das Verhalten der anderen Personen zu beeinflussen versuchen.
4. Lege ich den gleichen Maßstab an?
Was man von anderen erwartet, muss man selbst auch erfüllen. Man kann nicht erwarten, dass man der anderen Person permanent einen Spruch drücken kann, ohne nicht auch selbstironisch zu sein, nichts einfordern, was man selbst nicht bereit ist zu geben. Überlegen Sie sich, ob das Verhältnis zwischen Ihnen und der anderen Person ausgeglichen ist.
5. Reflektiere und akzeptiere ich?
Wichtigster Punkt: Wie geht man mit Kritik um? Kann man konstruktive Kritik annehmen und an sich arbeiten, oder macht man sofort dicht und geht auf Konfrontation? Kein gutes Zeichen. Überlegen Sie sich mal, wie Sie die vergangenen Male auf Kritik reagiert haben und was Sie sich dabei gedacht haben. Haben Sie die Kritik angenommen und umgesetzt oder abgestritten und gedacht "red du nur"?
Und was nun, wenn ich Red-Flags bei mir feststelle?
Natürlich decken diese fünf Fragen nicht die ganze Bandbreite an toxischem Verhalten ab. Wenn Sie sich jetzt also bei keinem dieser Punkte wiederfinden, heißt das nicht automatisch, dass sie immer okay handeln. Aber sie geben schon mal ein Gefühl dafür, ob man sich zum Beispiel über andere Menschen stellt und helfen bei der Selbstreflexion. Die ist auch das große Stichwort, wenn es darum geht, einen Red-Flag-Check durchzuführen. Natürlich wird es immer Dinge an Ihnen geben, die manch andere vielleicht nicht mögen. Völlig normal. Aber toxisches Verhalten sollte nicht zur Normalität werden. Wenn Sie das also an sich feststellen, in dem Sie vielleicht dazu neigen, andere zu ghosten: Ändern Sie was dran! Lautet die Antwort auf die Frage "Will ich selbst, dass man so mit mir umgeht?" Nein, dann sollten Sie das entsprechende Verhalten auch anpassen. Ganz einfach.