Achtung Abzocke! Wie Sie Betrug am Handy und im Internet rechtzeitig erkennen

Wie kann ich mich vor Betrüger*innen im Internet schützen?

Wie kann ich mich vor Betrüger*innen im Internet schützen?

d3sign / Getty Images,

Die digitale Welt verändert sich rasant – was bedeutet das für unsere Sicherheit? Cem Karakaya ist Experte für Internetkriminalität und ist dem Thema in seinem neuen Buch auf den Grund gegangen. Cem Karakaya war langjähriger Interpol-Mitarbeiter und ist Experte für Cybercrime und Prävention. Er berät Behörden und Unternehmen, leistet Auf­klärungsarbeit an Schulen und ist CEO der Be­ratungsfirma Blackstone432.

Übrigens: In ihrem Buch „Klicken Sie hier – digitale Selbstverteidigung leicht gemacht“ (Ariston, 20 Euro) decken Cem Karakaya und Tina Groll aktuelle Cyber-Bedrohungen auf – von Kriminellentricks bis Gefahren durch KI. Mit Extra-Kapiteln für den Schutz von Kindern, Jugendlichen und Senioren.

freundin: Herr Karakaya, wird die Onlinewelt immer gefährlicher? 

Cem Karakaya: „Durch Onlineshopping, Onlinebanking, Social Media und Co. wird unsere Welt zumindest immer digitaler. Aber: Digitalisierung ist prinzipiell nichts, wovor man Angst haben sollte – sie hat unheimlich viele Vorteile. Ich freue mich zum Beispiel jedes Mal, wenn ich meine Eltern in der Türkei über FaceTime anrufen kann. Was man aber immer im Hinterkopf haben sollte: Genauso schnell, wie sich die Digitalisierung entwickelt, entwickeln sich auch Betrugsmaschen und die Fähigkeiten von Hacker*innen.“

Vor ein paar Tagen habe ich eine SMS bekommen: „Hallo Papa, das ist meine neue Nummer. Kannst du mir auf WhatsApp schreiben?“ Ich bin eine Frau und habe keine Kinder. Allzu raffiniert scheinen die Betrugsmaschen nicht zu sein.

„(Lacht) Solche Nachrichten kommen in meinen Augen eher von ‚Möchtegern-Hackern*innen‘, die einfach blind ausprobieren, was funktionieren könnte. Wirklich gefährlich sind dagegen die Betrüger*innen, die sich in Systeme hacken und Daten missbrauchen. Das kann in Form eines Trojaners sein, der auf Ihrem Computer installiert wird und Sie heimlich überwacht, oder in Form eines gefälschten Profils auf Ebay oder auf Sie zugeschnittene Phishingmails, -Anrufe und -SMS.“

Wie kann ich mich als Privatperson am besten vor solchen Angriffen schützen?

„Der beste Schutz ist Prävention. Dazu gehören vor allem regelmäßige Updates bei Apps und Betriebssystemen. Fünfundneunzig Prozent aller erfolgreichen Cyberangriffe passieren nur deshalb, weil etwas nicht aktualisiert wurde und so eine Sicherheitslücke entstehen konnte. Außerdem sollten Passwörter – auch wenn es müßig ist – mindestens 13 Zeichen lang sein. Ein Passwort mit acht Zeichen kann mittlerweile innerhalb von einer Sekunde geknackt werden, egal wie kompliziert es ist. Bei 13 Zeichen dauert es aktuell noch 47 Jahre. Als letzten Tipp würde ich mitgeben: Kurz innehalten, bevor man irgendwo seine Daten eingibt. Fragen Sie sich: ‚Ist es wirklich notwendig, dass ich das hier preisgebe? Ist die Webseite seriös?‘“

Jede*r von uns sollte etwas zu verbergen haben.

In der Vergangenheit war mein Motto diesbezüglich oft „Ich habe ja nichts zu verbergen“. Das ist wahrscheinlich nicht der beste Ansatz, oder?

„Diesen Satz höre ich immer wieder, auch auf meinen Vorträgen. Ich frage die Menschen im Publikum dann nach ihrer Kreditkartennummer – und plötzlich wird es ganz still. Was ich damit sagen will: Jede*r von uns sollte etwas zu verbergen haben. Sei es das Geburtsdatum, die eigene Adresse oder die Telefonnummer. Das alles sind sensible Daten, die schnell missbraucht werden können. Daher rate ich auch bei vermeintlichen Schnäppchen im Netz immer zu Vorsicht: Nichts ist umsonst! Wenn etwas kein Geld kostet, dann bezahlt man in der Regel mit seinen Daten.“

Welche Daten brauchen Betrüger*innen, um jemanden zu hacken?

„Genau genommenen nur ihren Namen und das Geburtsdatum. Für 33 Euro kann man beim Einwohnermeldeamt zusätzlich herausfinden, wo jemand wohnt, ganz legal. Betrüger*innen können dann zum Beispiel in Ihrem Namen eine Website aufsetzen, auf der sie Kaffeemaschinen verkaufen. Ihr Name und Ihre Adresse stehen im Impressum. Wenn die Kaffeemaschinen dann nach Bezahlung nie ankommen, klingeln die geprellten Kund*innen bei Ihnen an der Haustüre. Alles schon passiert.“

Ihre Co-Autorin Tina Groll wurde Opfer von so einem massiven Identitätsdiebstahl. Was genau ist ihr passiert?

„Tinas Name und ihr Geburtsdatum wurden für Warenkreditbetrug missbraucht. Die Folge waren mehrere Tausend Euro offener Forderungen, Einträge ins Schuldenregister, Haftbefehle und sogar Verurteilungen in Abwesenheit. Es hat Tina über ein Jahr gekostet, sich gegen den Betrug zu wehren und zu beweisen, dass nicht sie selbst die Schulden verursacht hat. Am Ende ist sie trotzdem auf sehr hohen Kosten sitzen geblieben – von der psychischen und zeitlichen Belastung nicht zu sprechen.“

Gibt es irgendeine Form von Schutz, damit man im Betrugsfall nicht auf den Kosten sitzen bleibt?

„Es gibt einige Versicherungen, die Schutz vor Identitätsdiebstahl anbieten. Hier sollte man sich nur unbedingt genau durchlesen, in welchen Fällen die Versicherung auch wirklich greift, um nicht unnötig Geld auszugeben. Das Problem bei solchen Fällen ist, dass die rechtliche Lage oft sehr kompliziert ist. Ein Beispiel: Der Hacker oder die Hackerin befindet sich in den USA, der Server, über den er oder sie ‚angreift‘, in Russland und das Opfer in Deutschland. Nach welchem Recht wird dann geurteilt? Ironischerweise erschweren auch die strengen Datenschutzgesetze in Deutschland die Arbeit der Polizei oft zusätzlich.“

Wenn ich in der Vergangenheit etwas schludrig mit meinen Daten im Netz umgegangen bin, kann ich etwas tun, um das irgendwie wieder „geradezubiegen“?

„Von der Schufa gibt es ein Plus-Paket, das etwa fünf Euro im Monat kostet. Ich habe damit Zugriff auf meine Bonität und sehe alle Verträge, die ich je abgeschlossen habe. So sehe ich auch relativ schnell, ob irgendetwas nicht passt.“

Wir brauchen [...] neue Gesetze, Regulierungen und vor allem: Bildung.

Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto eher bekommt man das Gefühl, im Internet lauern hinter jeder Ecke Gefahren. Sollte man am besten ganz offline gehen?

„Nein, das ist Quatsch und für die meisten Menschen im Alltag auch gar nicht mehr möglich. Ich sehe das so: Als das Auto erfunden wurde, gab es auch noch keine Verkehrsregeln, Anschnallgurte oder den Führerschein. Das hat sich erst mit der Zeit entwickelt. Ähnlich ist es mit der Digitalisierung: Unsere Handys sind inzwischen kleine Computer und obwohl wir nun schon seit einigen Jahren mit ihnen leben, ist das alles doch noch relativ neu. Wir brauchen daher neue Gesetze, Regulierungen und vor allem: Bildung. Wir gehören immer noch zu den ersten Eltern-Generationen, die Medienkompetenz an ihre Kinder weitergeben und sie auf den Umgang mit dem Internet vorbereiten müssen.“

Wie kann man Kinder gut sensibilisieren?

„Ich würde ein Smartphone für Kinder erst ab dem Besuch der fünften Klasse empfehlen. Und wenn es so weit ist, gilt: Miteinander kommunizieren und Regeln für die Nutzung aufstellen. TikTok ist beispielsweise offiziell erst ab 13 Jahren erlaubt – und das nicht ohne Grund. Wenn die App genutzt wird, kann hier der begleitete Modus von Eltern eingerichtet werden. Ich will es aber noch mal betonen: Sprechen Sie mit Ihren Kindern und lassen Sie sich auch Dinge zeigen, die sie selbst noch nicht kennen. Ich schaue mir gemeinsam mit meiner Tochter manchmal Deepfakes an, um sie auch dafür zu sensibilisieren, nicht sofort alles zu glauben, was sie im Internet sieht.“

Künstliche Intelligenzen können Stimmen mittlerweile täuschend echt imitieren. Wie kann ich meine Oma davor schützen, nicht darauf reinzufallen, wenn jemand mit meiner Stimme bei ihr anruft und nach Geld fragt?

„Meiner Meinung nach ist der beste Weg, ein Passwort zu vereinbaren, das Ihre Großeltern bei Ihnen erfragen können, sobald – vermeintlich – Sie am Telefon nach Geld oder Ähnlichem verlangen. Denn nicht nur die Stimme kann einfach imitiert werden, ich könnte auch ganz einfach Ihren Namen und Ihre richtige Nummer auf dem Telefon-Display Ihrer Oma anzeigen lassen.“

... Sie sind also selbst professioneller Hacker?

„So könnte man es sagen, ja. Der richtige Begriff wäre ‚Ethischer Hacker‘ oder ‚White Hacker‘. Zu meinem Beruf gehört auch, Unternehmen zu hacken. Natürlich nur, wenn Sie mich auch beauftragt haben, sonst wäre das nicht legal. Durch White-Hacking können wir Unternehmen dabei helfen, Sicherheitslücken zu finden und diese zu schließen. So können Sie sich vor einen echten Black-Hacking-Angriff schützen.“

Woher kommt Ihr Interesse für IT? Wurden Sie selbst einmal Opfer von einem Hacking Angriff?

„Mein Vater hat, als ich 13 war, den Computer Commodore 64 nach Hause gebracht und gesagt: ‚Lerne, wie das Ding funktioniert, denn das ist die Zukunft.‘ Und dann habe ich mich hingesetzt, mir das Ganze angeschaut und das Interesse nie wieder verloren. Opfer wurde ich bis heute Gott sei Dank nie.“