Better Life: Was passiert mit dem Körper, wenn man die Nacht durchmacht?
Eine Nacht nicht zu schlafen, kann unglaublich aufregend sein. Wer erinnert sich nicht daran, wie er oder sie als Kind in den Ferien unbedingt mal "durchmachen" wollte? Und auch später im Leben sind es oft die durchwachten Nächte, nach denen man auf dem Heimweg die Sonne aufgehen sah und die ersten Vögel zwitschern hörte, an die man sich am liebsten erinnert.
Aber schlaflose Nächte können auch mit Stress verbunden sein. Menschen, die Nachtschichten arbeiten müssen, oder prokrastinierende Student*innen, die sich auf den letzten Drücker noch den gesamten Lernstoff eines Semesters ins Gedächtnis pressen wollen, können ein Lied davon singen.
Aber gerade Letztere sollten sich gut überlegen, ob stundenlanges Last-Minute-Pauken tatsächlich zielführender ist, als etwas weniger zu lernen und eine Mütze voll Schlaf zu bekommen. Denn schon eine einzige durchwachte Nacht hat deutliche Auswirkungen auf unseren Körper.
Das Gedächtnis lässt nach
Schlaf ist wichtig, um das Erlebte und eben auch Erlernte des Tages zu verarbeiten. Das Gehirn sortiert sich neu und kann dadurch nach dem Aufwachen wieder reibungslos funktionieren.
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Nimmt man dem Gehirn diese Möglichkeit, hat das Auswirkungen auf das Denken und die Verarbeitung von Information. In einer norwegischen Studie hat man herausgefunden, dass schon eine durchwachte Nacht die "Weiße Substanz" im Hirn verändert, wodurch die Hirnfunktion messbar abnimmt. Auch wenn der Effekt nicht unbedingt langfristig wirkt, kann das bei einer anstehenden Prüfung durchaus von Nachteil sein.
Konzentrationsfähigkeit nimmt ab
Schlafforscher*innen haben herausgefunden, dass Menschen schon nach einer durchwachten Nacht Schwierigkeiten haben, wichtige von unwichtigen Reizen zu trennen. Die Kanäle unseres Gehirns sind durch den Schlafentzug einfach für alles offen. Das bedeutet, dass wir schneller gestresst sind und uns leichter ablenken lassen. Wer nach einem "All-Nighter" leistungsfähig sein muss, wird diese Einschränkung schnell zu spüren bekommen.
Gehirn verhält sich wie nach dem Konsum von Alkohol
Eine Nacht ohne Schlaf macht uns laut Expert*innen nicht nur unkonzentriert, sondern auch langsam im Kopf. Wir reagieren mit Verzögerungen auf Reize, haben Schwierigkeiten beim Sprechen und werden außerdem deutlich risikobereiter. Im Grunde verhielten Proband*innen in einer entsprechenden Studie sich nach 28 Stunden ohne Schlaf so, als hätten sie 1 Promille Alkohol im Blut.
Im Straßenverkehr kann dieser Zustand sogar lebensgefährlich sein – insbesondere dann, wenn ein*e Fahrer*in Gefahr läuft, in Sekundenschlaf zu fallen.
Immunsystem wird geschwächt
Schlaf ist nicht nur wichtig für unsere psychische, sondern auch die körperliche Gesundheit. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Immunsystem schon nach einer Nacht ohne Schlaf geschwächt wird. Im Rahmen einer Studie haben beispielsweise frisch geimpfte Personen beim "Durchmachen" deutlich weniger Antikörper im Blut gebildet, als jene Proband*innen, die nach ihrer Impfung ausreichend Schlaf abbekommen haben.
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Zellen, die Krankheitserreger abwehren sollen, werden ebenso "müde" und vergessen sogar, Strategien gegen Keime auszubilden, die sie schon einmal bekämpft haben.
Heißhunger und Muskelabbau
Auch wer nicht zunehmen möchte und gerne seine Muskeln trainiert, sollte schlaflose Nächte vermeiden. Denn Schlafentzug macht durch den Energieverlust nicht nur Heißhunger auf kalorienreiches Essen, es werden außerdem die Ausschüttung von Wachstumshormonen und Testosteron gehemmt. Beides führt dazu, dass mehr Fett und weniger Muskelmasse gebildet wird. Schlaflose Nächte können sogar dazu führen, dass Muskeln sich zurückbilden.
Blutdruck steigt
Schon eine schlaflose Nacht führt außerdem dazu, dass der Blutdruck steigt. Der Körper schüttet Stresshormone aus und die Entzündungsaktivität erhöht sich, was dazu führt, dass der Blutzuckerstoffwechsel gestört wird. Bei wiederholtem Schlafmangel beschleunigt sich messbar die Gefäßverkalkung, was wiederum das Risiko für Herz- Kreislauferkrankungen steigert.
Euphorie
Zumindest eine positive Auswirkung hat eine durchwachte Nacht aber auf die Psyche: Das Gehirn schüttet das Glückshormon Dopamin aus. Wir erhalten einen kurzen Schub euphorischer Gefühle, was bei einer Studie mit Mäusen sogar dazu geführt hat, dass antidepressive Wirkungen einer schlaflosen Nacht nachgewiesen werden konnten.
Natürlich sollten Patient*innen mit Depressionen sich jetzt nicht wegen ein paar glücklicher Nager regelmäßigem Schlafentzug aussetzen. Aber zumindest der besondere Glanz der Morgenstunden nach einer durchwachten Nacht dürfte sich durch diesen Effekt erklären lassen.
Regelmäßiger Schlafentzug, zum Beispiel durch Schichtarbeit, ist ungesund, und wer öfter Nächte zum Lernen nutzt, sollte eher nach alternativen Lösungen für sein Prokrastinationsproblem suchen. Alle anderen müssen aber nicht wegen ein paar – in der Regel kurzfristig anhaltender – gesundheitlicher Nachteile ins Bett flüchten, wenn es gerade eigentlich zu schön ist, um schlafen zu gehen. Schließlich warten am Ende einer langen Nacht zwitschernde Vögel und Glückshormone. Die sind auch wichtig!
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