Warnung vor umstrittenem TikTok-Trend: Experten warnen vor Mouth-Taping
Schlafprobleme und Atembeschwerden können nicht durch Klebeband gelöst werden
Es gibt viele gut überlegte Produktnamen, die einen zum Kauf einladen und gleichzeitig auch halten, was sie versprechen. Der Name "Hostage-Tape" zählt zum Glück nicht dazu.
Denn statt eines Klebebands, das sich hervorragend für Geiseln (Eng.: Hostage) anbietet, soll das Tape nicht für Albträume, sondern angeblich sogar für einen besseren Schlaf sorgen. Was klingt, wie ein Paradox, ist ein neuer Trend auf TikTok, bei dem sich junge Menschen nachts den Mund zukleben, um damit vermeintlich die Atmung durch die Nase zu fördern.
Unter dem Hashtag "mouthtape" teilen TikTok-Nutzer*innen ihre Erfahrungen und geben Tipps, wie man die kargen Tapes "süß" stylen kann. Dabei warnen Ärzt*innen vor den nächtlichen Klebeaktionen – gerade für Menschen mit bereits bestehenden Atemproblemen kann der Trend gefährlich werden.
Atmung durch die Nase hat viele Vorteile
"Mach es nicht. Bitte klebe dir nicht den Mund zu, während du schläfst." So beginnt das Werbevideo des Marke "Hostage Tape" – ein Produktname, über den sich sicherlich streiten lässt.
Denn hey: Einmal Geisel sein – mega lustig und entspannend! Aber die Werbemaßname im Video scheint zu wirken, denn wer kennt es nicht aus der Kindheit: Dir wird gesagt, du sollst keine Kekse vor dem Mittagessen futtern und plötzlich ist da dieser Drang, in Krümelmonster-Manier Cookies in sich hineinzustopfen, obwohl man vielleicht gar keine Lust auf Kekse hatte.
Denn niemand kann mir etwas verbieten! Erst recht nicht, wenn man vermeintliche Vorteile aufgezeigt bekommt, die eigentlich alle nur für die Nutzung eines Klebebands in der Nacht sprechen – wie im Video des Herstellers.
Versprochen werden ein "verbesserter Schlaf", Muskeln die sich mit dem Klebeband über dem Mund vermeintlich "besser erholen" und noch "ganz viele weitere Vorteile", auf die im Video nicht näher eingegangen wird.
Jetzt kann man sich zurecht fragen: Warum zur Hölle, sollte man sich nachts den Mund zukleben? Der Grund, der zum TikTok-Trend geführt hat, weil er vielleicht auf den ersten Blick sinnvoll erscheint lautet: Die Atmung durch die Nase soll dadurch gefördert werden.
Am Tag macht der Mensch im Ruhestand etwa 14 Atemzüge pro Minute und das natürlich entweder durch die Nase oder durch den Mund. Weitaus gesünder ist es, durch die Nase zu atmen – denn die Nasenatmung, oder physiologische Atmung genannt, erfüllt viele wichtige Funktionen: Die Haare in der Nase schützen unseren Organismus vor dem Eindringen von Fremdpartikeln und die Schleimhaut der Nase nimmt zudem eine Reinigungsfunktion ein.
Zudem bringt die Nasenschleimhaut die Luft beinahe auf Körpertemperatur und befeuchtet sie. Des weiteren wird bei der Nasenatmung Stickstoffmonoxid produziert, ein Gas, das zur Öffnung der Blutgefäße beitragen kann und damit den Blutdruck senkt und die Durchblutung verbessert.
Also sollten wir uns alle den Mund zukleben, um von all den Vorteilen zu profitieren?
Expert*innen bezeichnen den Trend als "gefährlich"
Laut einigen Expert*innen lautet die Antwort ganz klar: Nein. So warnt Dr. Marc Siegel, klinischer Professor für Medizin am NYU Langone Medical Center, vor dem Mouthtaping-Trend und bezeichnet ihn gegenüber Health als "gefährlich".
Denn wenn eine Verstopfung der Nase oder der Nasennebenhöhlen oder eine andere anatomische Blockade wie ein Polyp oder eine Nasenscheidewand-Verkrümmung vorlägen, könne das Tape eine "vollständige Atmung behindern".
Auch Dr. Rajkumar Dasgupta, stellvertretender Direktor des Sleep Medicine Fellowship an der Keck School of Medicine der University of Southern California erklärt, dass nur "wenige Belege für den Nutzen des Mundtapings" existierten.
Dr. Erich Voigt, Leiter der Abteilung für allgemeine HNO-Heilkunde und Schlafmedizin der NYU Langone Health gibt an, dass das Abkleben des Mundes in der Nacht bei Menschen mit bestehenden Atemproblemen gefährlich sein könnte.
So können Atempausen während des Schlafs entstehen und der Blutdruck kann steigen. Jörg Lindemann, Oberarzt und Leiter des Schlaflabors am Universitätsklinikum Ulm hält ebenfalls nicht viel von dem Trend, wie er der Schwäbischen Zeitung verrät.
Ein zu fest auf den Mund geklebtes Tape könne nämlich dazu führen, dass man "unruhig wird" und dadurch "zu schnell oder falsch atmet". Im schlimmsten Fall könne das zur Ohnmacht führen.
Statt über möglichst süße Arten, das Klebeband zu gestalten nachzudenken, sollte man laut Lindemann und Dr. Dasgupt lieber herausfinden, warum man Probleme beim Atmen durch die Nase oder der Schlafqualität hat. Außerdem sollte man immer mit einem Arzt oder einer Ärztin sprechen, wenn man trotz allem den Trend testen möchte.
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