Länger leben durch weniger Salz? Das sagt ein Experte

Ein Facharzt für Innere Medizin im exklusiven Interview

Umgekipptes Salzglas auf Holztisch
Salz ist ein Geschmacksträger, den man aus gesundheitlicher Sicht nur in Maßen genießen sollte. (Foto: Getty)

Viele Menschen wissen, dass zu viel Salz der Gesundheit nicht gerade zuträglich ist. In den Worten des WHO-Chefs Tedros Adhanom Ghebreyesus hört sich das aber weit dramatischer an: "Ungesunde Ernährung ist weltweit eine der Hauptursachen für Tod und Krankheit", sagte Ghebreyesus vor einem Jahr und nannte dabei die übermäßige Aufnahme von Natrium als eine Hauptursache.

Ein hoher Salzkonsum kann hohen Blutdruck verursachen, der wiederum das Herz, die Herzkranzgefäße, das Gehirn, die Nieren und die Blutgefäße schädigen und zu lebensgefährlichen Notfällen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall führen kann. Zugleich legt eine Studie der australischen Bond-University nahe, dass Menschen, die gezielt weniger Salz zu sich nehmen, Krankheiten vermeiden und ihr Leben dadurch verlängern können.

Gegenüber Yahoo Life erzählt Prof. Ulrich Wenzel, Facharzt für Innere Medizin, worin sich Kochsalz vor allem versteckt und warum schon eine Reduktion um wenige Gramm große Auswirkungen haben kann.

Prof. Ulrich Wenzel: Die Mindestmenge, die wir Menschen pro Tag benötigen, um unseren Körper am Leben zu halten, liegt bei 1 bis 2 Gramm. Kochsalz ist etwas, was normalerweise in der Natur und vor allem bei Menschen, die im Inland leben, sehr selten ist. Darum hat der Körper im Rahmen der Evolution über die Jahrmillionen gelernt, Kochsalz zu konservieren. Wenn Sie also ganz wenig Kochsalz essen, verliert ihr Körper auch ganz wenig Kochsalz.

Im Durchschnitt konsumieren wir circa 10 Gramm Salz am Tag und damit zu viel. Unser hoher Salzkonsum ist historisch, weil es früher wichtig war zum Konservieren. Und heute ist es eben ein Geschmacksverstärker, bei dem auch Gewöhnung eine Rolle spielt. Wenn Sie als Kind mit kochsalzreicher Ernährung aufwachsen, schmeckt ihnen alles besser mit Kochsalz.

Dazu leben wir zunehmend in einer Gesellschaft, in der wir prozessierte Ernährung zu uns nehmen. Sie gehen ja nicht heute Nachmittag in den Garten und ernten Ihren Apfel und Ihre Karotte, die Sie dann essen und die dann auch Geschmack haben. Sondern Sie kaufen tiefgefrorenes Gemüse, das keinen Geschmack hat. Dafür salzt der Hersteller es kräftig oder fügt eine Kräuterbutter hinzu und auf einmal hat es wieder Geschmack. Über 70 Prozent unseres Kochsalzkonsums ergeben sich aus solch prozessierter Ernährung: Käse, Salami, Pizza, Döner, Currywurst mit Pommes oder Sojasoße. Auch Schwarzbrot ist leider kochsalzreich. Und Weißbrot, das früher verteufelt wurde, weil es immer hieß, das sind leere Kalorien, ist kochsalzarm.

Wurst und Käse auf Platte
Einen Großteil unserer Salzzufuhr nehmen wir über sogenannte prozessierte Lebensmittel wie Wurst und Käse auf. (Foto: Getty)

Wie immer braucht man einen guten Mittelweg. Mit Schwarzbrot nimmt man ja auch Ballaststoffe auf. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung nennt ja nicht die Minimalmenge, die wir zum Überleben brauchen, sondern einen Mittelweg von Lebensqualität und Machbarkeit in unserer Gesellschaft. Wer mittags in einer Kantine isst, wird nicht überleben, wenn er sagt, er will nur 2 Gramm Kochsalz zu sich nehmen. 6 Gramm sind schon sehr hart. Ich würde sagen, 8 Gramm sind für die Gesundheit auch schon klasse und realistischer.

Wenn Sie wie 20 Millionen Deutsche einen hohen Blutdruck haben, können Sie das durch einen hohen Kochsalzkonsum verstärken. Und hoher Blutdruck hat Konsequenzen wie Herzinsuffizienz, Dialysepflichtigkeit, Schlaganfall, Demenz.

Es gibt aber auch unabhängig vom Blutdruck negative Effekte, zum Beispiel können Autoimmunkrankheiten durch einen hohen Kochsalzkonsum verstärkt werden. Zudem arbeitet Kochsalz am Mikrobiom. Die Darmflora und -fauna wird verändert und gute Bakterien werden herunterreguliert, was zu einem Mangel führt.

Wie immer im Leben ist es aber nicht Kochsalz alleine, das schädlich ist, sondern häufig ein Zusammenspiel vieler Faktoren. Wenn Sie keinen Sport machen, übergewichtig sind und sich kochsalzreich ernähren, wären verschiedene Player in ihrem Todesmosaik vorhanden, die sich gegenseitig verstärken. Wenn Sie knallgesund sind, super viel Sport machen und einen hohen Kochsalzkonsum haben, ist das nur eine kleine Schädigung. Man kann Negatives durchaus kompensieren.

Ja.

Das ist extrem schwer zu quantifizieren. Man kann nicht sagen, 1 Gramm weniger Kochsalz macht drei Jahre längeres Leben. Aber jede Kochsalzreduktion hilft. Man muss gar nicht 5 Gramm pro Tag anstreben. Aber wenn man bisher 10 Gramm pro Tag zu sich nimmt und das auf 8 oder 7 Gramm reduziert, ist auch schon etwas erreicht. Das ist wie bei Adipositas. Wenn der 100-Kilo-Patient auf 90 Kilo herunterkommt, ist das immer noch zu viel, aber deutlich besser als vorher. Der Gesundheits-Benefit entsteht durch die prozentuale Reduktion der Risikofaktoren.

Prof. Ulrich Wenzel
Prof. Ulrich Wenzel (Foto: Privat)

Prof. Ulrich Wenzel ist Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Hypertonie (Bluthochdruck) und Nierentransplantation. Er ist unter anderem Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie und der Deutschen Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdrucks.