Darmkuren: Wann sie wirklich sinnvoll sind – und wann nicht

Experte im exklusiven Interview

Bauch einer Frau
Ziel einer Darmkur ist es, das mikrobielle Gleichgewicht im Darm zu fördern. Bei gesunden Menschen ist das jedoch in der Regel nicht nötig. (Bild: Getty Images)

Aud der Suche nach einem gesünderen Lebensstil und einem fitteren Körper interessieren sich viele Menschen für aufwändige Wellnessbehandlungen und Entgiftungsmethoden. Eine davon sind sogenannte Darmkuren. Auf Lifestyle-Plattformen und in Hochglanzmagazinen werden diese Behandlungen oft als Wundermittel zum Detoxen oder Abnehmen angepriesen.

Darmkuren sollen "entschlacken", für strahlende Haut und besseren Schlaf sorgen, Allergien bekämpfen und das allgemeine Wohlbefinden steigern. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Versprechen? Im Gespräch mit einem Experten klären wir, welche Rolle Darmkuren bei der Förderung der Darmgesundheit tatsächlich spielen, wie man sie durchführt und wann sie sogar gefährlich werden können.

Eine Darmkur oder Darmsanierung im medizinischen Sinne zielt darauf ab, die Darmgesundheit und -funktion zu verbessern. Sie umfasst typischerweise Ernährungsumstellungen, die Einnahme probiotischer Ergänzungen und gegebenenfalls medizinische Verfahren wie Einläufe oder Colon-Hydrotherapie.

In unserer Klinik setzen wir diese Maßnahmen basierend auf individuellen Diagnosen und sorgfältiger Bewertung ein, unterstützt durch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und in enger Zusammenarbeit mit Gastroenterolog*innen und Ernährungsberater*innen. So können wir die Sicherheit und das Wohlbefinden unserer Patient*innen optimal gewährleisten.

Das primäre Ziel einer Darmsanierung ist es, das mikrobielle Gleichgewicht im Darm zu fördern, was wiederum die Verdauung verbessern und zur allgemeinen Gesundheit beitragen soll. Durch die Stärkung der Darmflora können auch das Immunsystem unterstützt und entzündliche Prozesse im Körper reduziert werden.

Die wissenschaftliche Datenlage zu den Auswirkungen von Darmsanierungen auf Akne und Allergien ist noch nicht vollständig. Wir sehen in einigen Fällen positive Effekte, aber es bedarf weiterer Forschung, um diese Ergebnisse zu bestätigen und zu verstehen, für welche Patient*innen sie am wirksamsten sind.

Darminneres mit Darmzotten
Das Darminnere mit Darmzotten. Hier sollen sich sogenannte "Schlacken" absetzen. Doch für deren Existenz gibt es keine wissenschaftliche Grundlage. (Bild: Getty Images)

Der Begriff "Schlacken" wird oft irreführend verwendet, um allgemein Ansammlungen von nicht ausgeschiedenen Stoffwechselprodukten zu beschreiben. Für "Schlacken im Darm" gibt es medizinisch keinerlei Grundlage. In wissenschaftlich fundierten Behandlungskonzepten sollten sie deswegen auch nicht vorkommen.

Insbesondere nach langen Antibiotikabehandlungen oder bei chronischen Verdauungsstörungen kann eine Darmsanierung hilfreich sein, um die natürliche Darmflora wiederherzustellen und die Verdauungsgesundheit zu verbessern.

Eine Darmkur oder -sanierung wird in der Regel nicht für gesunde Menschen empfohlen, die keine Verdauungsprobleme haben. Unser Körper verfügt über ein robustes System zur Selbstregulierung, und die Erhaltung einer gesunden Darmflora wird am besten durch eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität unterstützt. Interventionen wie Darmkuren sind speziell für Fälle gedacht, in denen das mikrobielle Gleichgewicht des Darms durch bestimmte Umstände, wie zum Beispiel langfristige Antibiotikatherapien, beeinträchtigt wurde.

Es ist jedoch zu bemerken, dass einige Menschen auf sogenannte "Entgiftungen" schwören und solche Maßnahmen in Absprache mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin im Rahmen ärztlicher Begleitung ab und an durchführen, besonders wenn sie dies aus persönlichen Gründen wünschen. Obwohl die medizinischen Studien zu diesem Thema sehr unterschiedlich ausfallen, ist es wichtig, dass man auch auf seinen eigenen Körper hört und das tut, was einem subjektiv guttut, selbst wenn solche Kuren vielleicht einmal jährlich ohne zwingende medizinische Notwendigkeit durchgeführt werden.

Mir ist es wichtig zu betonen, dass die wissenschaftlichen Belege für die Effektivität von Darmkuren zum Zweck der Entgiftung oder des Gewichtsverlusts sehr begrenzt sind. Solche Ansätze sollten kritisch betrachtet werden, da sie oft schnelle Lösungen versprechen, ohne nachhaltige gesundheitliche Vorteile zu bieten. Die Förderung der Gesundheit und die Regulierung des Körpergewichts sollten durch nachweislich wirksame Methoden wie eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung erreicht werden.

Ja. Wie jede medizinische Behandlung können auch Darmsanierungen Risiken bergen, insbesondere wenn sie ohne fachliche Aufsicht durchgeführt werden. Risiken umfassen Dehydratation, Elektrolytungleichgewichte und potenzielle Schädigungen der Darmwand. Daher ist es wichtig, solche Verfahren nur unter ärztlicher Aufsicht durchzuführen.

Definitiv. Eine ausgewogene Ernährung, reich an Ballaststoffen, ausreichend Flüssigkeitsaufnahme und regelmäßige körperliche Aktivität sind grundlegende Schritte, um die Darmgesundheit zu unterstützen. Solche natürlichen Methoden sind normalerweise ausreichend, um das Wohlbefinden zu fördern. Dann sind auch keine invasiveren Eingriffe nötig.

Dr. med. Peter Nartschik (Bild: Harzklinikum)
Dr. med. Peter Nartschik (Bild: Harzklinikum)

Dr. med. Peter Nartschik, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Tumorchirurgie und Co-Mitglied in der Ärztlichen Direktion des Harzklinikums, Er ist ein anerkannter Experte mit umfangreicher Fachkenntnis in Chirurgie, Viszeralchirurgie, spezieller Viszeralchirurgie, Proktologie, medikamentöser Tumortherapie und Ernährungsmedizin.